Leopoldstadt

v.o.n.u.

Schlagbrücke im 18. Jh., Foto: Bezirksmuseum Leopoldstadt

Ehemaliges Carltheater in der Jägerzeile (heute Praterstraße 31), Foto: Bezirksmuseum Leopoldstadt

Nördlich der Stadt, in einem Au- und Heidegebiet, entwickelte sich auf einer Gruppe von Inseln (alte Bezeichnung „Werd“) im Laufe der Zeit die Leopoldstadt. Der Name „Unterer Werd“ für das Gewirr von Donauarmen und Inseln vor den Toren Wiens wurde erstmals 1337 urkundlich erwähnt.

Ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert lässt sich eine erste Besiedelung und Holznutzung auf den Inseln nachweisen. Das Augebiet wurde vorwiegend für die Jagd genutzt.

Mit dem Bau der ersten Brücken, die Schlagbrücke (heute Schwedenbrücke) 1368 und 1439 eine mehrteilige Jochbrücke vom heutigen Gaußplatz über die Donauarme nach Floridsdorf wuchs die Bedeutung des Werds als Handelsplatz. Der Bau der Kremserstraße, heute der untere Teil der Taborstraße und die Obere Augartenstraße, bewirkte eine vermehrte Ansiedlung. Entlang dieses Handelsweges entstanden vor den Toren der Stadt mehrere Einkehrgasthöfe. Am heutigen Gaußplatz entstand eine Verteidigungsanlage, Tabor genannt. Eine neue Brücke wurde 1698 über die Donau geschlagen. Dabei wurden der Tabor und das Mauthaus an die jetzige Stelle verlegt und die Taborstraße verlängert. Das Trockenlegen von Teichen und Sümpfen wirkte sich günstig auf die Bautätigkeit aus.

Während Wien mehrmals von verschiedenen Heeren belagert worden war (30jähriger Krieg 1619, Türken 1529 und 1683, Schweden 1645), wurde auch die Leopoldstadt besetzt und verwüstet, deren Bewohner geschändet oder ermordet.

1570 tauchte erstmals die Idee auf, die Juden im Unteren Werd anzusiedeln, aber erst 1623/24 stimmte Kaiser Franz Ferdinand II unter dem Einfluss des Jesuitenpaters Germain Lamoraine der Ansiedelung der Juden aus der Wiener Stadt in ein Ghetto zu. Zur Errichtung eines Ghettos wurde den Juden 1624 ein Grundstück zugewiesen. 1670 bekommt die Vorstadt ihren endgültigen Namen „Leopoldstadt“. Nach jenem Kaiser Leopold I, der die Juden in diesem Jahr wieder vertrieben hat. Er zerstörte ihre Synagoge und baute auf deren Fundamenten aus dem Abbruchmaterial die nach ihm benannte Leopoldskirche.

Mit der Schaffung der Toleranzpatente ab 1781 von Joseph II. erhielten zunächst Protestanten, 1782 auch Juden größere Freiheiten. Nach der Märzrevolution 1848 fielen sämtliche Arbeits- und Wohnbeschränkungen. In dieser Zeit war bereits ein Drittel der Einwohner der Leopoldstadt jüdisch.

Einen wirtschaftlichen Aufschwung brachte der Bau der Verbindungsbahn, der Ausbau des Nordbahnhofes und die Donauregulierung. Durch die Schifffahrt auf der Donau blühte auch der Handel auf. Die Donauregulierung ermöglichte durch eine gewisse Sicherheit vor Hochwasser und erheblichen Landgewinn eine starke Bautätigkeit, die erst in der Zwischenkriegszeit endete.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 flüchteten Massen von Juden mit der Nordbahn nach Wien. Die Zahl der jüdischen Flüchtlinge betrug je nach Schätzung zwischen 50.000 (damalige Polizeiangaben) und 70.000 (laut Arbeiterzeitung), von denen etwa 25.000 in Leopoldstadt blieben. In dieser Zeit wurde der Beiname „Mazzesinsel“ für Leopoldstadt geläufig. Die Leopoldstadt wurde zum Zentrum des jüdischen Lebens in Wien. Es entstanden zahlreiche sehr prunkvolle Synagogen. Durch Prater, Theater, Varietee und zahlreiche Veranstaltungsorte war das kulturelle Leben in der Leopoldstadt weit über den Bezirk hinaus bedeutsam. Auch das war stark von jüdischen Künstler*innen und Kulturschaffenden getragen.

Mit dem Anschluss an Nazi-Deutschland und der damit verbundenen Judenverfolgung fand das jüdische Leben und die Kultur ein jähes Ende. Mit den Synagogen wurde wertvolles Kulturgut zerstört. Mit dem Großteil der jüdischen Bevölkerung – damals ca. 60.000 die Hälfte der Bezirksbevölkerung – wurden auch die jüdischen Künstler vertrieben oder ermordet. Von diesem Verlust hat sich der 2. Bezirk nie erholt.

Nach Kriegsende 1945 wurde mit großem Elan und Engagement an der Instandsetzung, dem Wiederaufbau und der Modernisierung des Bezirkes gearbeitet. Insgesamt gesehen hat sich die Leopoldstadt mittlerweile zu einem modernen, mit guter Infrastruktur ausgestattetem, äußerst lebenswerten Stadtteil entwickelt.