Bezirks
geschichte
Prähistorische Funde geben Aufschluss über die früheste Vergangenheit
Autor: Prof. Karl Hauer
Anlässlich der Abbrucharbeiten des ehemaligen Postamtsgebäudes am Augustinermarkt wurden 2014/15 archäologische Grabungen an der Rückseite dieses Bauwerks im Bereich der Rasumofskygasse durchgeführt, die sensationelle Ergebnisse brachten. Die Wiener Stadtarchäolog:innen bezeichnen diese als ein „Zeitfenster“, das Funde aus den vergangenen 7000 Jahren beinhaltete.
Ebenso wie schon am Rennweg (s. unten) stieß man auf Reste aus dem Neolithikum, aber die Sensation war perfekt, als dort in einer keltischen Wohnstätte aus der Epoche der Zeitenwende, also bevor unser Gebiet von den Römern besetzt worden war, sowohl römische Keramik und Bernsteinperlen als auch ein „Stilus“ (= antikes Schreibgerät) und eine „Tüpfelscheibe“ gefunden wurden.
Tüpfelscheibe Römische Münzen
Das bedeutet einerseits, dass die hier ansässigen Kelten schon damals einen regen Handel mit Römern betrieben hatten und anderseits, dass sie bereits über eine Schriftlichkeit verfügten und mit Hilfe der Tüpfelscheibe Münzen produzierten.
Ein anderer interessanter Fund auf unserem Bezirksgebiet stammt aus der jüngeren Steinzeit (5000 – 1800 vor der Zeitenwende; v.d.Z.); beim Umbau des ehemaligen Gebäudes der Staatsdruckerei am Rennweg wurde eine Wohngrube aus dieser Zeit aufgedeckt.
Beim Neubau des Hauses Ungargasse 37 – zuvor befand sich dort ein einstöckiges Alt-Wiener-Haus mit großem Innenhof, das im 18. Jahrhundert als Herberge und Standort für ungarische und griechische Händler diente – stieß man beim Bau der Tiefgarage auf eine etwa 60 cm dicke schwarze Erdschicht, die von den Archäologen als 5000 Jahre alte Brandschicht identifiziert wurde, die bei der Brandrodung der damals bis hierher reichenden Donauauen entstanden war.
Aus der Bronzezeit – um 1200 v.d.Z. – stammen eine Urne (Rennweg) und eine Nadel (Schwarzenbergplatznähe) und aus der Hallstattzeit – etwa 9. Jhdt v.d.Z. – fand man Tierplastiken (Rudolfstiftung/Klimschgasse).
Auf dem Boden der gesamten ehemaligen Vorstadt Landstraße (ursprüngl. St. Nikolai) besonders im Raum zwischen Landstraßer Gürtel und Klimschgasse, gibt es zahlreiche keltische und römische Funde.
Im Zentrum dieses Gebietes befand sich bekanntlich die römische Zivilstadt, deren nördliche Begrenzung offenbar im Raum der Klimschgasse war, wo vor einigen Jahren ein römischer Spitzgraben aufgedeckt wurde. Sie wurde 395 beim Markomannensturm zerstört, jedoch weisen Münzfunde darauf hin, dass dieses Gebiet auch danach bewohnt war.
Römische Zivilsiedlung, Ende 1. bis 3. Jahrhundert (aus: Entlang des Rennwegs – Die römische Zivilsiedlung von Vindobona, Stadtarchäologie Wien, 2011)
Über die prähistorische Geschichte der beiden anderen ehemaligen Vorstädte Erdberg und Unter den Weißgerbern ist nur wenig bekannt; im Falle Erdbergs ist die Wissenschaft davon überzeugt, dass im frühen Mittelalter eine Erdburg im Bereich der heute noch erkennbaren Anhöhe oberhalb der Erdbergstraße bestand. Beide Gebiete waren bis vor 5000 Jahren von Auwäldern bedeckt (s. oben).
Die Siedlung Erdberg – ursprünglich Ertpurch – rückt durch die Errichtung des babenbergischen Rüdenhauses ins historische Bewusstsein. Zum einen wurde dort 1192 der als Pilger verkleidete englische König Richard I. – Löwenherz – verhaftet, zum andern residierte der letzte Babenberger, Friedrich der Streitbare – 13. Jhdt. – häufig dort, was aus den erhaltenen Urkunden hervorgeht.
Ehe wir uns der dritten Vorstadt zuwenden, ist es notwendig, noch die bis 1529 bestandene Siedlung Scheffstraße zu nennen, die sich vor der Stadtmauer im Bereich der Stubenbastei am linken Wienufer befand. Die ersten Aufzeichnungen über diese Siedlung stammen aus dem Jahr 1429.
Nach der 1. Türkenbelagerung – 1529 – gab es diese Siedlung nicht mehr, und die Überlebenden siedelten sich nun am rechten Wienufer an, wo nach und nach die Vorstadt Unter den Weißgerbern entstand.
Über die folgenden Jahrhunderte gäbe es noch vieles zu erzählen (s. Bibliographie).
1850 wurden die drei Vorstädte eingemeindet und zum 3. Wiener Gemeindebezirk vereint.
1862 wurde der Weißgerber Badehausbesitzer Mathias Mayer zum ersten Landstraßer Bezirksvorsteher ernannt.
Das Bezirkswappen
Das Bezirkswappen des dritten Wiener Gemeindebezirks Landstraße wurde 1892 durch Vereinigung der drei Vorstädtesiegel geschaffen.
In der linken oberen Hälfte ist auf grünem Boden die Gestalt des Hl. Nikolaus in Bischofsornat in der Rechten drei auf einem Buch aufgelegte goldene Kugeln tragend, mit denen er nach der Legende drei brave Töchter eines armen Mannes beschenkte, in der linken Hand hält er den goldenen Hirtenstab. Dieser Teil symbolisiert die ehemalige Vorstadt „Landstrasse“, ehemals „Nikolausvorstadt“.
Auf der rechten Seite sieht man zwei Erdbeerblüten an beblätterten Stielen aus grünem Boden wachsend und eine darüber schwebende rote Erdbeere mit grünem Stängel samt zwei Blättern. Diese Darstellung – eine Erinnerung an die hier ansässig gewesenen Gärtner – soll die Vorstadt Erdberg symbolisieren, obwohl der Vorstadtname von der einst hier befindlich gewesenen Erdburg abzuleiten ist.
Im unteren breiten Feld befinden sich zwei silberne Böcke über ein grünes Gebüsch gegeneinander aufspringend, womit an die Gerber in der Vorstadt Unter den Weissgerbern erinnert wird.