Hauszeichen “Auge Gottes”, 1776, Bezirksmuseum Josefstadt, Foto: Klaus Pichler
Die Josefstadt ist mit einer Fläche von rund 1,08 km² Wiens kleinster Bezirk. Er erstreckt sich zwischen Alser Straße, Landesgerichtsstraße, Auerspergstraße, Lerchenfelder Straße sowie Lerchenfelder- bzw. Hernalser Gürtel. Etwa 25.500 Menschen wohnen heute auf dem Gebiet der ehemaligen Vorstädte St. Ulrich und Alsergrund, die bereits im Mittelalter entstanden. Außerdem zählen noch die Bezirksteile Josefstadt (vormals Rottenhof), Altlerchenfeld (entstanden ab etwa 1700), der Strozzigrund (entstanden 1746) und als jüngste Vorstadt Breitenfeld (entstanden ab 1802) dazu.
Grundherren dieser ehemaligen Vorstädte waren adelige und bürgerliche Familien, aber auch Ordensgemeinschaften. Die Stadt Wien (später „Magistrat“) hatte ebenfalls Interesse am Grundbesitz außerhalb der Stadtmauern. Sie erwarb sie 1657 die Grundherrschaft am Alsergrund , 1700 in der Josefstadt, 1746 am Strozzigrund, 1786 und 1810 in Altlerchenfeld. St. Ulrich und Breitenfeld unterstanden bis zur Auflösung der Grundherrschaften 1849 dem Schottenstift. Ab 1850 begann die Stadt Wien mit der administrativen Gebietseinteilung. Die Josefstadt wurde im Jahr 1861 zum 8. Wiener Gemeindebezirk.
In kirchlicher Hinsicht gehörte das Gebiet des heutigen 8. Bezirkes ursprünglich zur Pfarre St. Michael, ab 1589 zur Pfarre St. Ulrich, die dem Schottenstift unterstand, sowie seit 1719 zur Piaristenpfarre Maria Treu. 1783 entstanden die Minoritenpfarre an der Alserkirche und die Pfarre Altlerchenfeld. Die Pfarre Breitenfeld besteht seit 1898.
Zwei große Bauwellen
Die Verbauung des heutigen Bezirksgebietes auf breiter Basis begann erst im 18. Jahrhundert. Zwischen kleinen einstöckigen Häusern, die meist von Handwerkern bewohnt waren, entstanden Sommerpaläste und Gärten von Adelsfamilien, aber auch ausgedehnte Besitzungen von Bürgern und Gewerbetreibenden. Ab etwa 1770/80 wurden infolge des Bevölkerungswachstums, der Bauspekulation und der Änderung der adeligen Lebensformen die großen Grundstücke parzelliert. Häuser mit mindestens zwei Stockwerken sowie die Josefstädter Kavalleriekaserne wurden erbaut.
Eine weitere Verbauungswelle, bei der Großwohnungen entstanden, setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Mit der Auflassung des Glacis 1857 bzw. 1870 sowie des Linienwalles im Jahr 1894 hatte die Josefstadt eine Anbindung zur Inneren Stadt sowie in die Vororte.
Nach dem 1903 bis 1910 erfolgten Abbruch der Kavalleriekaserne entstand das Viertel rund um den Hamerlingplatz. Noch heute gibt es im Bezirk eine stattliche Anzahl an Häusern aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert, teils mit idyllischen Gärten. Von der einstigen Adelspracht zeugen noch heute die Palais Auersperg, Damian, Schönborn (heute Österreichisches Museum für Volkskunde) und Strozzi (heute Institut für Höhere Studien).
Zeittafel zur Bezirksgeschichte
1700 – 1800
1700
Marchese Hippolyto Malaspina verkauft sein Landgut Rottenhof an die Gemeinde Wien. Auf den zugehörigen Parzellen entsteht eine neue Vorstadt, die nach dem damaligen Kronprinzen und späteren Kaiser Joseph I. „Josefstadt“ benannt wird
1701
In dem 1697 gegründeten Piaristenkloster wird der Schulunterricht aufgenommen
1704
Zum Schutz der Wiener Vorstädte gegen die aufständischen ungarischen Kuruzzen wurde eine Befestigung, der Linienwall, errichtet, der in etwa der Lage des heutigen Gürtels entspricht.
1700 – 1720
Errichtung von Adelspalais mit Gärten in den Vorstädten Josefstadt, Alsergrund und Strozzigrund, heute nur mehr 4 erhalten: Auersperg, Damian, Schönborn, Strozzi
1713
Errichtung der Mariensäule vor der heutigen Piaristenkirche Maria Treu zum Dank für das Erlöschen der Pest
1719
Gründung der Piaristenpfarre Maria Treu, ihr Sprengel umfasst die Vorstadt Josefstadt, die bisher der Schottenpfarre St. Ulrich unterstand
1720
Eröffnung des ersten Kaffeehauses in der Josefstadt, Lange Gasse 31
1748
Eröffnung des Löwenburg-Konvikts neben der Piaristenkirche, besteht mit Unterbrechungen bis 1918
1752 – 1753
Franz Anton Maulbertsch malt die Fresken in der Piaristenkirche, eines der bedeutendsten Kunstwerke unseres Bezirks.
1771
Weihe der Piaristenkirche, Baubeginn 1716
1772 – 1777
Erbauung der Josefstädter Reiterkaserne zwischen Josefstädter Straße, Albertgasse, Florianigasse und Schönborngasse, Erweiterung 1794, Neubau 1850-1853
1784
In das einstige, 1688-1698 erbaute Trinitarierkloster an der Alser Straße ziehen die Minoriten ein, Gründung der Pfarre Alservorstadt
1788
Eröffnung des Theaters in der Josefstadt
Verlegung des Wiener Findelhauses in die Alser Straße 23, das dort bis 1910 bleibt
1789
Eröffnung der Löwen-Apotheke, Josefstädter Straße 30, später Übersiedelung in die Josefstädter Straße 25
1800 – 1900
1802
Schottenabt Benno gibt die Gründe am „breiten Feld“ zur Parzellierung frei. Es entsteht die Vorstadt Breitenfeld
1804
Eröffnung der Albertinischen Wasserleitung mit Brunnen auf mehreren Plätzen
1829
Eröffnung des Blindeninstituts Blindengasse 31/Josefstädter Straße 103, besteht hier bis 1980
1835
Die Privatkrankenanstalt „Confraternität“ bezieht das Haus Skodagasse 32
1839
Erbauung des Landesgerichts auf dem Areal der einstigen bürgerlichen Schießstätte
1841
Das Zivilmädchenpensionat, Schule für Beamtentöchter, bezieht das Palais Strozzi, Josefstädter Straße 39 und bleibt dort bis 1919
1848
Revolution in Wien. Aufhebung der Grundherrschaften. Sitzung des ersten gewählten Wiener Gemeinderats
1861
Der bereits 1850 vorgesehene Zusammenschluss von Stadt und Vorstädten tritt in Kraft. Anstelle der einstigen Vorstädte gibt es nun Bezirke. Der 8. Bezirk, Josefstadt, besteht aus den einstigen Vorstädten Josefstadt, Strozzigrund und Breitenfeld und Teilen der Vorstädte St. Ulrich, Altlerchenfeld und Alsergrund
Die gewählte Bezirksvertretung nimmt im Amtshaus Schmidgasse 18 ihre Tätigkeit auf
1862
Eröffnung des Schönborn-Parks
1865
Eröffnung der ersten Wiener Pferde-Straßenbahnlinie vom Schottentor über die Alser Straße nach Hernals
1865 – 1873
Anlage der Gürtelstraße entlang der Außenseite des Linienwalls
1870
Das Piaristengymnasium wird zum k.k. Staatsgymnasium Wien XIII
1894
Beginn der Demolierung des Linienwalls, Verbreiterung des Gürtels
1895 – 1898
Bau der Gürtel-Linie der Stadtbahn, zunächst mit Dampfbetrieb, seit 1925 elektrisch
1898
Gründung der Pfarre Breitenfeld und Weihe der Breitenfelder Kirche
1899
Beginn der Elektrifizierung der Straßenbahn
1900 – 2000
1903
Eröffnung der Synagoge in der Neudeggergasse 12
1903 – 1910
Abbruch der Reiterkaserne, auf ihrem Gelände entsteht ein neues Stadtviertel mit der Handelsakademie und dem Militärgeographischem Institut am Hamerlingplatz
1909
Errichtung des Direktionsgebäudes der städtischen Gaswerke, Josefstädter Straße 12, 2005 Absiedelung der Direktion
1909, 1914
Eröffnung der beiden Gymnasien in der Albertgasse18 und 38
1912
Eröffnung des neuen Amtshauses der Bezirksvorstehung auf dem Schlesingerplatz
1913
Eröffnung des Stadttheaters in der Skodagasse 20, Abbruch 1961
1917
Das Österreichische Museum für Volkskunde bezieht das Palais Schönborn, Laudongasse/Lange Gasse
1923 – 1924
Cesar Poppovits errichtet den Ludo-Hartmann-Hof, Albertgasse 13-17
1927
Anlässlich der Demonstrationen gegen das Urteil im Schattendorf-Prozess – Brand des Justizpalastes – wird der Herold Verlag in der Strozzigasse 8, Sitz der reaktionären Reichspost, in Brand gesetzt und verwüstet
1931 – 1932
Erbauung des Studentenheims „Kardinal-Piffl-Heim“, Pfeilgasse 46
1938 – 1945
NS-Zeit – 534 Hinrichtungen im Landesgericht
Von der jüdischen Bevölkerung der Josefstadt werden etwa 3.990 vertrieben und 1.981 Personen ermordet
9/10.11.1938
Novemberpogrom. Zerstörung der Synagoge in der Neudeggergasse 12
1944 – 1945
Zahlreiche Bombenschäden auch in der Josefstadt
1945
Widerstandsgruppe O5 im Palais Auersperg
1945 – 1955
Der 8. Bezirk ist amerikanischen Besatzungszone
1948
Konstituierung des Museumsvereins Josefstadt
1959 – 1964
Maria Franc ist die erste weibliche Bezirksvorsteherin von Wien in der Josefstadt
1963
Gründung des „Vienna’s English Theatre“, seit 1974 Josefsgasse 12
1965 – 1968
Errichtung einer Volks- und Hauptschule Pfeilgasse 42b. Später Erweiterung zur Josefstädter Straße 93-97 mit Kindertagesheim und Turnsaal
1969
Bau des „Haus des Buches“, Skodagasse 20
1973
Abbruch des Wohn- und Sterbehauses des Zwölfton-Musik Komponisten Josef Matthias Hauer, Bennogasse 2
1982 – 1983
Das Arkadenkino in der Alser Straße 23, das Albertkino in der Josefstädter Straße 75 und das Palastkino in der Josefstädter Straße 43-45 werden geschlossen
1983
Das Kabarett Niedermair wird in der Lenaugasse 1A eröffnet
1984
Eröffnung des Zentralgebäudes der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Josefstädter Straße 80
1988
Benennung des Platzes an der Kreuzung Albertgasse/Skodagasse/Josefstädter Straße nach dem Komponisten Josef Matthias Hauer
1989
Eröffnung des Tiger-Parks zwischen Lerchen- und Tigergasse
1992
Wiedereröffnung des Bezirksmuseums Josefstadt im renovierten Haus Schmidgasse 18.
1993
Eröffnung des Bezirksgerichts Josefstadt, Florianigasse 8
1995
Vollendung der Um- und Zubauten der Justizanstalt Josefstadt und des Landesgerichts
Benennung der platzartigen Kreuzung Buchfeldgasse/Schmidgasse nach dem sozialdemokratischen Bezirks- und Gemeinderat Ludwig Sackmauer (1913-1992). Er war von 1954 bis 1992 Leiter des Bezirksmuseums Josefstadt und maßgeblich verantwortlich für die Erhaltung der historischen Bausubstanz der Josefstadt
Seit 2000
2003
Die Hauptbibliothek der Büchereien Wien im „Haus des Buches“ in der Skodagasse 20 übersiedelt auf den Urban-Loritz-Platz, in das alte Gebäude zieht die Zentrale der Musikschulen der Stadt Wien ein
2006
Umbenennung des Schlesingerplatzes nach Therese Schlesinger, einer jüdischen Politikerin, Frauenrechtlerin und Schriftstellerin, und nicht mehr nach Josef Schlesinger, einem bekannten antisemitischen Professor für Mathematik und Rektor der k. u. k. Hochschule für Bodenkultur
2009
Benennung des Platzes vor Lange Gasse 21-23 in Hugo-Bettauer-Platz. Bettauer, ein jüdischer Schriftsteller, wurde 1925 von einem Nationalsozialisten in der Redaktion seiner Zeitschrift in der Lange Gasse 5-7 ermordet. Am Platz befindet sich bereits seit 2002 eine Gendenktafel, die an ihn erinnern soll
2010
Restitution des Sanatoriums Fürth, Schmidgasse 14. Nach Verkauf Restaurierung und Umbau zu einem Wohnhaus
2011
Hoteleröffnung im ehemaligen Direktionsgebäude der städtischen Gaswerke, Josefstädter Straße 12
2015
Das Institut für Höhere Studien zieht in das Palais Strozzi ein, von 1940 bis 2012 war dort das Finanzamt für die Bezirke 8, 16 und 17 untergebracht
2016
Eröffnung der „Residenz Josefstadt“ im ehemaligen Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen am Hamerlingplatz
Der Park Pfeilgasse, Ecke Stolzenthalergasse wird zum Lisette-Model-Platz. Benannt nach Lisette Model, einer bekannten Fotografin (1901 -1983)
2021
Eröffnung des Trude-Waehner-Platzes vormals Alser Spitz benannt nach der Josefstädter Künstlerin und Antifaschistin Trude Waehner (1900 bis 1979). Sie musste 1938 aus politischen Gründen Österreich verlassen. Ihr Atelier befand sich in der Buchfeldgasse.