Diese Gegend ist für mich immer etwas besonderes gewesen
Hier mach' ich's gut, hier seh' ich Möglichkeiten, hier ist das Leben, hier möcht' ich wohnen."
Heimito von Doderer
Die Geschichte des 9. Bezirks, der sich aus den Vorstädten Lichtental, Rossau, Alservorstadt, Thurygrund, Michelbeuerngrund, Himmelpfortgrund und Althangrund zusammensetzt, ist bewegt und vielschichtig.
Namensgebung – die Als
Der Bezirksname Alsergrund könnte sich von der Als (keltisch alt = kühler Bach; slawisch olsa = Erle) ableiten. Sie entspringt im Wienerwald westlich von Dornbach und weist eine Länge von ca. 10 km auf, wovon 2,2 km im 9. Bezirk fließen. Nach einer anderen eher angenommenen Version stammt der Name Als von der volkstümlichen Aussprache Alsterbach. Das Wort Alster bezeichnet aber auch die Elster, wonach dieser Vogel auch ins Ortswappen der Alser Vorstadt aufgenommen wurde. Die Als wird 1044 das erste Mal urkundlich erwähnt.
Lauf der Als: Neuwaldegger Straße – Alszeile – Richthausenstraße – Rötzerstraße – Jörgerstraße – U-Bahn-Station Alser Straße – Lazarettgasse – Nebenarm durch Pelikangasse – Spitalgasse (Pleychwiesen, Arne-Carlson-Park = St. Johann mit dem Siechenhaus) – Nußdorfer Straße bei Markthalle (Zusammenfluß mit Währinger Bach) – Donaukanal bei Friedensbrücke (= Brigittabrücke) – ab 1902 wir sie in den Hauptsammelkanal geleitet.
Römerzeit
Man weiß, dass auf dem Boden des Bezirks alte Siedlungen lagen, worauf auch das Wegnetz hinweist. Aber es gibt über diese Zeit nur sehr wenige Aufzeichnungen und Funde (z.B. Münzen oder Ringe in römischen Gräbern beim heutigen Votivpark).
Mittelalter
Die Besiedelung im Mittelalter begann zaghaft, der größte Teil des Bezirkes war unverbautes Acker- oder Grünland. Beispielsweise wurde die „Schottenpoint“ (Donauuferhang östlich der Währinger Straße) als Weinbaugebiet genutzt, was zum Haupterwerb der Bürger zählte.
Zwischen der Stadtmauer und der Berggasse lag ein Fischerdörfchen am Donaukanal, wo regelmäßig Fischmärkte veranstaltet wurden, da für die vielen Fasttage Fische oder Krebse benötigt wurden. Fischmeister und Krebsenrichter waren für die Kontrolle zuständig.
Im Jahr 1211 wurde unter Leopold VI. dem Glorreichen die „Alsaer Strazze“ (Gegend vor dem Schottentor) als Siedlungsgebiet erwähnt.
Das Maria-Magdalena-Kloster (Zisterzienserinnen), eines der ältesten Nonnenkloster Wiens, findet erstmals schriftliche Erwähnung im Jahr 1239.
Seit dem 11. Jahrhundert verbreitete sich der durch die Kreuzzüge eingeschleppte Aussatz. Die Erkrankten verlegte man in Siechenhäuser an den Ausfallsstraßen der Stadt (z.B. St. Johann an der Siechenals). Man glaubte, dem Aussatz durch Hygiene entgehen zu können – somit entwickelte sich das Badewesen. 1292 wird erstmals ein Bad vor dem Schottentor „Auf dem Mist“ erwähnt. Wasser war auch für viele Handwerksbetriebe unerlässlich, z.B. für die Färber.
Neuzeit bis zur Gründerzeit
Im Jahr 1529 rückten die Osmanen unter Sultan Suleiman II., dem Großen, überraschend schnell nach Wien vor. Viele Gebäude des heutigen 9. Bezirks gingen in Flammen auf, z.B. das Maria-Magdalena-Kloster oder das Dorf Siechenals. Die Vorstädte wurden geplündert und zerstört. Im Oktober des gleichen Jahres zogen die Belagerer aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse, Seuchen und wegen des hartnäckigen Widerstandes der Verteidiger von Wien ab. Obwohl der Alsergrund nur ein Nebenkriegsschauplatz war, bewahrt er heute eine wesentliche Erinnerung an die erste Türkenbelagerung: das Hochgrab des Grafen Niclas Salm in der Votivkirche.
Der Botaniker Karl Clusius, der vor dem Schottentor ein Haus mit angeschlossenem Botanischen Garten bewohnte, beschäftigte sich intensiv mit in- und ausländischen Pflanzen. Als erster in Wien pflanzte er 1588 den Erdapfel an.
Seit 1547 existierte eine Schießstätte, „bürgerliche zillstatt“, vor dem Schottentor (Roßau), die bis zur zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683 eine bleibende Einrichtung war.
1629 wurde der „Juden-Freythoff“ (Judenfriedhof) in der Seegasse 9-11 erstmals anlässlich seiner Vergrößerung urkundlich erwähnt.
Auf kaiserlichen Erlass wurde 1632 das Glacis wegen dringlicher Verteidigungsmaßnahmen erweitert. Die von 1529 bis 1858 bestehende Freifläche (Glacis) zwischen den Wiener Stadtmauern und den Vorstädten diente ursprünglich als freies Schussfeld gegenüber Angreifern von außen.
Zur Zeit der Gegenreformation und des 30-jährigen Krieges wurden neue Orden nach Wien geholt und viele Klöster gegründet wie z. B. die Jesuiten (in der Gegend der heutigen Liechtensteinstraße), die Serviten (aus Italien) oder Schwarzspanier (Benediktiner aus Spanien, seit 1639 in Wien). 1633 wurde der Grundstein zum Bau einer Kirche am Schottentor gelegt. Die Bemühungen der Serviten um ein eigenes Gotteshaus dauerten bis ins Jahr 1670, in dem nach Bauabschluss die Kirchenweihung stattfand.
1646 siedelte sich Johann Thury, ein Ziegeleibesitzer, in der Liechtensteinstraße 79 an. Nach ihm ist die Alsergrunder Vorstadt „Thurygrund“ benannt. Die Thurykapelle, 1713 nach einer Pestepidemie errichtet, fiel 1880 der Verkehrsplanung zum Opfer.
Ein Jahr lang wütete die Pest in Wien, die 1678 wieder aufgetreten ist. Im heutigen Arne-Carlson-Park befand sich das alte Lazarett (ehemaliges Siechenhaus). Als Wohnung für den Infektionsarzt diente das „Bäckerhäusel“ gegenüber, an der Ecke zur Boltzmanngasse. Der „Kontumazhof“ zwischen Josephinum und Spitalgasse an der Währinger Straße diente zu Seuchenzeiten ebenfalls als Krankenstätte. Die Quarantänestation, von Soldaten strengstens bewacht, lag 2 km entfernt. Als im Dezember 1679 die Pest erlosch, waren im heutigen Bezirk Alsergrund ungefähr 60.000 Tote zu beklagen.
Drei Jahre nach der großen Pestepidemie wurde der Alsergrund auf die nächste Probe gestellt. 1683 belagerten die Osmanen nach 154 Jahren zum zweiten Mal Wien, wovon auch der Straßenname „Türkenstraße“ noch heute zeugt. Das Servitenkloster ist ausgebrannt, ansonsten befand sich der Alsergrund aber wieder eher am Rande des Geschehens. Dem Entsatzheer unter der Führung des Polenkönigs Jan III. Sobieski (eine Straße und ein Platz im 9. Bezirk sind ihm gewidmet) gelang es endgültig, das osmanische Heer zu besiegen. Bis 1699 eroberten die Habsburger ganz Ungarn. Damit war die Gefahr einer erneuten Belagerung Wiens durch die Osmanen endgültig gebannt.
Am Sobieskiplatz befand sich auch ein Auslaufbrunnen der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung.
1688 wurde die Landschaftsakademie der niederösterreichischen Stände zur Bildung der adeligen Söhne eröffnet (heute: Alser Straße 2).
1693 begann unter Leopold I. der Bau des „Großarmenhauses“, wo ab 1697 Kriegsversehrte bzw. Arme untergebracht wurden. Ab 1750 diente das „Kleinarmenhaus“ am unteren Alseck (Lazarettg. 2-4) der Unterbringung von armen alten Menschen.
Innerhalb von nur 3 Monaten wurde zum Schutz vor Ungarn und Osmanen unter Kaiser Leopold I. 1704 der Linienwall um die Vorstädte herum erbaut. Die Vorstädte konnten erblühen, z.B. entstand 1694 das Bräuhaus bei der heutigen Reznicekgasse, wo wöchentlich ca. 30.000 Liter bayrisches Bier gebraut wurden, oder teure Wohnungen, Palais und Parks (z.B. Palais Liechtenstein: Architeckt Bernhard Fischer von Erlach; Gartenplaner Jean Trehet, der auch den Schönbrunner Park entwarf. Palais Althan am Gelände des heutigen Franz-Josephs-Bahnhofs).
Da die Wohnungen in der Stadt sehr teuer waren, zogen viele Menschen in eine der 34 Vorstädte. Somit stieg der Grundstückspreis an und die Baugründe wurden enger parzelliert. Das erste gemauerte Haus baute der Schuhmacher Johann Riess in der Salzergasse 4.
Früher gab es noch keine Hausnummern. Man orientierte sich an den Hauszeichen, die im „Häuserschematismus“ veröffentlicht waren. Sie befanden sich über der Haustür bzw. an einer Hausecke. Keines der Zeichen kam doppelt vor. Sehr beliebt waren Kreuze, Hirschen, Löwen oder Rössel in jeder erdenklichen Farbe, wobei sich die Farbe Gold besonderer Beliebtheit erfreute.
Auf Grund der Beziehungen von Kaiser Karl VI. zu Spanien kamen Spanier:innen nach Wien, für die der Kaiser ein eigenes Spital, das Spanische Spital, errichten ließ. Die heutige Boltzmanngasse hieß früher deswegen Spanische Spitalsberggasse bzw. Carlsgasse. Unter Karl VI. wurde auch die zweitürmige Lichtentaler Kirche im Stil des Hochbarock erbaut und die Servitenkirche renoviert.
Maria Theresia, Tochter und Nachfolgerin von Karl VI., ließ die Lichtentaler Kirche erweitern (1769-1773), weil diese die stark steigende Bevölkerungszahl des Lichtentals nicht mehr fassen konnte. 1744 hat Maria Theresia die Porzellanfabrik von Du Paquier gekauft und sehr stark gefördert, so wie auch andere Fabriksbetriebe.
Nach Beendigung des bayrischen Erbfolgekrieges explodierte 1779 der Pulverturm, vermutlich wegen Unachtsamkeit, mit so einer Gewalt und Wucht, dass kein Haus der Alser Vorstädte unbeschädigt blieb. Heute erinnert die Pulverturmgasse noch an dieses Ereignis.
Joseph II., Maria Theresias ältester Sohn, regierte von 1780 bis 1790. Er setzte viele humanitäre Taten, z.B. Verbot der Todesstrafe (Hinrichtungsstätte in der Roßau: Rabenstein – heutiger Schlickplatz) und des Bäckerschupfens. Hierbei handelte es sich um eine Ehrenstrafe für Vergehen gegen Qualität und Gewicht von Backwaren, wobei der zu Bestrafende unter Spott und Schadenfreude der ZuschauerInnen in einen hölzernen Käfig gesperrt und mindestens einmal ins Waser getaucht wurde.
Joseph II. ließ viele öffentliche Bauwerke errichten:
- Alserkaserne
- Gewehrfabrik (Währinger Str. 11-13), die 1852 ins neu errichtete Arsenal übersiedelte
- Garnisonsspital in der Van-Swieten-Gasse
- Josephinum (1783)
- Pfarrkirchen: Geld von Klosteraufhebungen (15 Millionen Gulden) dafür verwendet (= Religionsfonds)
- Allgemeines Krankenspital (1784) von Baumeister Josef Gerl
- Findelhaus (1788) in der Alserstraße 23
- Waisenhaus in der Boltzmanngasse 9
- Die von Joseph II. gegründete Medizinisch-chirurgische Militärakademie beherbergt heute das Institut für die Geschichte der Medizin.
Als Vorbild für das Allgemeine Krankenhaus (AKH) diente das Pariser Zentralspital Hotel Dieu, das Joseph II. 1777 bei seiner Frankreich-Reise besichtigte. Am 16.8.1784 wurde das AKH als modernstes Spital Europas eröffnet. Es bot Platz für 2000 PatientInnen, 111 Zimmer standen zur Verfügung (61 für Männer, 50 für Frauen). Es beherbergte fünf verschiedene Abteilungen (Allgemeines Krankenspital, Gebärhaus, Tollhaus (Narrenturm), Siechenhäuser, Findelhaus
Die Patient:innen waren übrigens auch damals schon in Klassen eingeteilt:
1. Klasse: Einzelzimmer, eigene Bedienung, wöchentliche „Vorhinzahlung“ von 1 Gulden/Tag
2. Klasse: mehrere in einem Raum, nach Geschlecht getrennt, täglich 30 Kreuzer
3. Klasse: beiderlei Geschecht, Behandlung von Stiftung bezahlt
4. Klasse: unentgeltlich für jene Kranken, deren Armut von einem Pfarrer oder Richter bezeugt werden kann
Von den Napoleonischen Feldzügen war auch Wien betroffen. 1805 marschierte Napoleon das erste Mal ein und 1809, nach der Schlacht bei Aspern und Essling, wurde das Servitenkloster als Kranken- und Verwundetenherberge eingerichtet, um den Seuchen Einhalt zu gebieten.
1814 schrieb Franz Schubert im Haus seines Vaters in der Säulengasse 3 die Messe in F-Dur. Die Porzellanfabrik konnte aus dem Tief jener Zeit wieder herausfinden und erlangte zur Zeit des Wiener Kongresses sogar eine Höchstblüte.
Die Zeit zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Revolution 1848 wird Biedermeier genannt. Viele erst später zu großen Ehren gekommene Menschen bewohnten damals den Alsergrund. Ludwig van Beethoven lebte in Wien (wohnhaft in der Alserstraße 30, gestorben in der Schwarzspanierstr. 15) genau so wie Franz Schubert (geboren in der Nußdorfer Str. 54, später wohnhaft in der Grünentorgasse 11), Johann Strauß Vater und Josef Lanner.
10% der Gesamtzahl von Häusern im Alsergrund waren Gasthäuser, von denen jedes einen spezifischen Beinamen besaß (z.B. Narrendattel, Zur goldenen Kanne, Zum Auge Gottes etc.). Zwischen der Lazarettgasse 14 und 20 entstand das Brünnlbad, eine Erholungsstätte mit Heilquellen. 1837 gründete Maria Anna, die Frau von Kaiser Ferdinand I., das St. Anna Kinderspital. Kaiser Ferdinand selbst trieb den Bau einer Wasserleitung voran, die 1841 in Teilbetrieb ging und bis zur 1. Wiener Hochquellenleitung (ca. 1880) fast ganz Wien versorgte. Die Herren Winzler, Moser und Pfendler machten erste Versuche mit Gasbeleuchtungseinrichtungen. Die Rossau avancierte zum Zentrum des Wagenbaus und der Sattler. In der Alservorstadt florierte der Buchdruck, wovon der Verlag Georg Ueberreuter (damals im Haus „Zum Pelikan“, Alser Straße 24 angesiedelt) heute noch zeugt.
Am 13. März 1848 kam in Wien die Revolution zum Ausbruch, getragen von Bürgern, Studenten und Arbeitern, die sich gegen die schlechte Lebenssituation wandten. Im Oktober flammte die Revolution ein zweites Mal auf und wiederum wurden die Aufständischen durch königliche Truppen niedergeworfen.
Gründerzeit
Im Dezember 1848 trat Franz Joseph die Nachfolge seines Onkels Kaiser Ferdinand I. an. Als Folge der Revolution gelang es, die Grundherrschaft aufzuheben und Wien zu kommunalisieren.
1850 trat die provisorische Gemeindeordnung in Kraft, in der die Eingemeindung aller 34 Vorstädte geplant war. Erst 1860 fand die Eingemeindung und somit die Entstehung des Bezirkes Alsergrund statt. Mit der Eingemeindung der Vorstädte beschloss man auch eine neue Nummerierung der Straßen und zwar gassenweise beginnend mit Nr. 1 links, Nr. 2 rechts .
Als man 1861 Margareten (heute 5. Bezirk) von Wieden abtrennte, wurde der Alsergrund vom 8. auf den 9. Bezirk umbenannt. In dieser Zeit entstanden viele bedeutende Einrichtungen:
Gesundheit und Versorgung
- Universität und Klinik (2. Medizinische Schule)
- Errichtung eines pathologisch-anatomischen Instituts
- Allgemeine Poliklinik von Architekt Andreas Streit, wo Mittellose durch Studenten und Jungärzte kostenlos behandelt wurden
- Karolinen-Kinderspital (gestiftet von Karoline Riedl)
- Sanatorium Loew (privat), das 1859 gegründet wurde
- Wohltätigkeitspflege, die aufgrund des Bevölkerungswachstums immer wichtiger wurde und wo man sich um Kinder, Alte und Kranke sorgte
- Kindergärten
- „Suppen- und Theeanstalten“
- Versorgungshaus für Arme (am Alserbach) und für Bürger:innen (Währinger Straße 45 = für Frauen; bis Spitalgasse = Trakt für Männer)
- Waisenhäuser, wo Kinder bis zum 14. Lebensjahr untergebracht waren
- katholischer Gesellenverein (ab 1890), der billige Wohnungen und Erfahrungsaustausch bot
Wirtschaft
- Wagenbauer in der Roßau
- Holzlagerplätze an der Lände
- „Wäschermädel“
- Metallverarbeitende Betriebe; Hervorzuheben ist die Sigl´sche Maschinenfabrik (Währinger Str. 59) für Buchdruck-Schnellpressen und Lokomotiven. Nach dem Börsekrach von 1873 wurde sie von Wilhelm Exner zum Technologischen Gewerbemuseum umgewandelt
- Chirurgische Apparate und sanitäre Geräte, vor allem von Josef Leiter, Josef Odelga, H. Reiner und Heinrich Esterlus entwickelt bzw. gebaut
- Kupferschmiedbetrieb Firma Löblich, die Geschirr produzierte
- Metallgießerei Ignaz Haut (Alserbachstr. 10)
- Gußeisendepot Dietrichstein (Liechtensteinstr. 37)
- Möbelfabrik Mannheimer (Serviteng. 19)
- Kunstschlosser Alexander Nehr (Althanstr. 49), Schöpfer des Rathausmannes
- Steinmetz Eduard Hauser und Anton Wasserburger (Liechtensteinstr. 20)
- Bekleidung: Johann Nepomuk Reithoffer verwendete erstmals Kautschuk
- Musikinstumente: k.k. Hof- und Kammerklavierverfertiger Ignaz Bösendorfer (Türkenstr. 9)
- Graphische Industrie vertreten durch G. Davis & Co., Elbemühl und Vernay
- Schreibmaschine, die von Peter Mitterhofer erfunden wurde. Er stammte zwar aus Südtirol, wohnte jedoch in der Liechtensteinstraße 82.
Märkte
Der Tandelmarkt mit 200 Verkaufsläden fand vor der Heumarktkaserne in der Rossau statt. Weiters gab es die Rossauer Jahr- und Wochenmärkte, wo entlang der Lände Schlachtvieh angeboten wurde. Am Servitenplatz konnte man Geschirr einkaufen. Die Markthalle (Ecke Nußdorfer-/Alserbachstraße) wurde 1880 errichtet.
Verkehr
Es wurden eine Radialstraße von der neuer Ringstraße weg, die Brigittabrücke (1871) und die Augartenbrücke (1873) erbaut. Die 1. Pferdetramway (1865) stammte von der Firma Carl Schaeck-Jaquet & Co. und führte 4 km vom Schottentor durch die Alserstraße nach Hernals. Sie bot 36 Plätze und musste von zwei Pferden gezogen werden. Ab 1879 wurde sie wegen geringer Frequenz auf ein Pferd rationalisiert. Ab 1892 kam die Dampfmaschine und ab 1898 die Elektifizierung zum Einsatz. 1893 wurde der Linienwall abgetragen, um die Stadtbahn zu errichten. Der berühmte Jugendstilarchitekt Otto Wagner leitete das Bauvorhaben (er hat auch die Johannes Nepomuk-Kapelle auf dem Währinger Gürtel erbaut). 1898 wurde die Stadtbahn für den Verkehr freigegeben.
1866 wurde Fürst Schwarzenberg mit dem Bau der Franz-Josephs-Bahn beauftragt – die Eisenbahnlinie sollte von Wien nach Eger und nach Gmünd führen. 1870 wurde der Bahnhof eröffnet und 1872 dann das Bahnhofsgebäude am „Althanplatz“, dem das Palais Althan-Pouthon weichen musste. Die Hauptlinie der Bahn führte von Wien nach Prag.
Kunst
Im Bereich der Kunst sind das von Baronin Amalia Pasqualati gegründete Harmonietheater in der Wasagasse 33 mit 900 Sitzplätzen, 20 Logen und 450 Stehplätzen und die Volksoper, die anlässlich des 50-jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph (1898) von den Architekten Franz Krauß und Alexander Graf erbaut wurde und Platz für 1840 Besucher bietet, zu erwähnen. Viele Unterhaltungslokale, Gasthäuser und Kinos wie das Colosseum (1897-1899) und das „Auge Gottes“ boten ebenso eine breite Abwechslung in der Freizeitgestaltung.
Jahrhundertwende
Die Canisiuskirche wurde von 1899-1903 im neoromanischen Stil erbaut. 1905 kamen Teile des 17., 18., und 19. Bezirks an den Alsergrund.
Um 1900 wurden viele repräsentative Wohnhäuser im Jugendstil errichtet, ebenso wie neue Hochschulbauten, z.B. das pharmakologische und physiologische Institut. Viele Neubauten kamen in der Nähe des Donaukanals dazu, z.B. die K. k. Telephonzentrale. 1901 wude die Stadtbahn offiziell eröffnet und die Straßenbahn ab 1902 elektrifiziert.
1904 wurde der Grundstein für das neue Allgemeine Krankenhaus gelegt. Im Jahr 1910 wurde die Strudlhofstiege, bekannt durch Heimito von Doderers weltbekannten gleichnamigen Roman, fertiggestellt.
Der Alsergrund von 1918 bis 1945
Der Führer der sozialdemokratischen Partei, der Alsergrunder Viktor Adler, starb am 11.11.1918, einen Tag vor der Ausrufung der 1. Republik Österreich. Seine Nachfolge trat wieder ein Alsergrunder an: Karl Seitz, der spätere Bürgermeister von Wien.
Ebenfalls am Alsergrund und zwar in der Pulverturmgasse 7 befand sich das erste Lokal von der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), die im November 1918 gegründet wurde. Die Polizei beschlagnahmte dort ein halbes Jahr später 20 Maschinengewehre und nahm die Anführer der Partei fest. Demonstrierende formierten sich und wollten diese aus dem Polizeigefangenenhaus in der Rossauer Lände 7-9 befreien. Sie wurden jedoch von der Republikanischen Stadtschutzwache unter Einsatz von Schusswaffen gestoppt, mit dem Ergebnis, dass 20 Tote und 80 Verletzte zu beklagen waren. Erst als die Verhafteten freigelassen wurden, beruhigte sich die Lage.
Die schlechte wirtschaftliche Situation in der 1. Republik verlangte nach einer Sanierung der Währung – der Schilling löste die Krone ab (1 Schilling entsprach dem Gegenwert von 10.000 Kronen). Die für den Banknotendruck zuständige Österreichische Nationalbank befindet sich in der Alserstraße 2 (heute Otto-Wagner-Platz 3), die Alserkaserne musste diesem monumentalen Gebäude weichen.
Ab Ende der Zwanzigerjahre radikalisierte sich die innenpolitische Lage immer mehr: Todesopfer bei dem Angriff von Frontkämpfern auf Schutzbundangehörige in Schattendorf, der Freispruch der Schützen führte zum Justizpalastbrand. Weltwirtschaftskrise, Landtagswahl in Wien 1932 (wo bereits 17 Prozent für die Nationalsozialisten stimmten), Austrofaschismus unter Dollfuß mit der Vaterländischen Front als einzige zugelassene Organisation. Die Bezirksleitung des Alsergrundes befand sich damals in der Grünentorgasse 7. Der Bürgerkrieg im Februar 1934 stellte einen traurigen Höhepunkt der Auseinandersetzungen dar. Der Alsergrund war aber fast nicht in die blutigen Kämpfe involviert: Die Polizei verhindert die Streiks, das Arbeiterheim in der Dreihackengasse 7 wurde kampflos besetzt. Die Rossauer Kaserne als Zentrale der militärischen Aktionen wurde abgeriegelt.
Die seit 1933 verbotene NSDAP formierte sich im Untergrund und trat mit gezielten Propagandaaktionen, etwa dem Hissen einer Hakenkreuzfahne zwischen den Türmen der Votivkirche und mit massiven Terroraktionen gegen die jüdische Bevölkerung, wie zum Beispiel die völlige Zerstörung des Juweliergeschäfts Futterweit in der Alserbachstraße 33 auf.
Die nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland durchgeführte Volksabstimmung am 10. April 1938 brachte am Alsergrund das gleiche Ergebnis wie überall: Über 99% der 48.400 Wahlberechtigten stimmten für die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. 11.000 Jüdinnen und Juden und politische Gegner:innen waren von der Wahl übrigens ausgeschlossen.
1938 kamen die Poliklinik und das AKH in die Verwaltung der Stadt Wien, das St. Anna-Kinderspital wurde vom Deutschen Roten Kreuz übernommen und das Wasagymnasium wurde für die Gauleitung Niederdonau beschlagnahmt.
Auf dem Alsergrund lebten nach der Leopoldstadt die meisten jüdischen Menschen, nämlich über 12.000, das entspricht fast 10% der in Wien lebenden Jüdinnen und Juden. Bei den Novemberpogromen 1938 wurde u.a. die Synagoge in der Müllnergasse von der SS niedergebrannt, es wurden jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert und zerstört, deren Besitzer:innen schwer misshandelt.
Der Zweite Weltkrieg forderte auch am Alsergrund viele Opfer. Betroffen war der 9. Bezirk vor allem von dem 1943 einsetzenden Luftkrieg. Auf kriegswichtigen Objekten wie dem Franz Josephs-Bahnhof, dem Umspannwerk Michelbeuern am Währinger Gürtel, auf dem Dach der Nationalbank und über den Brücken wurden Stände für die leichte Flak errichtet – ab 1943 kamen diese zum Einsatz. Die Volksschule in der Galileigasse 3, die ehemalige Konsularakademie in der Boltzmanngasse 16 und Teile des AKH wurden zu Lazaretten umfunktioniert. Im 1. Hof des AKH entstand ein Operationsbunker.
Luftschutzräume befanden sich z.B. in der Bindergasse 7, in dem 2000 Menschen Platz fanden, und im Arne-Carlson-Park. Die Bombenschäden an Gebäuden im 9. Bezirk waren beträchtlich, vor allem östlich und südöstlich des Währinger Gürtels – und viele Zivilisten wurden bei den Luftangriffen getötet (wienweit 9.000 Menschen).
Am 12. April 1945 war der Kampf um Wien mit dem Rückzug der Deutschen Wehrmacht über die Floridsdorfer Brücke beendet.
Die Anfänge in der Zweiten Republik
Am 29. April 1945 verkündete Staatskanzler Karl Renner die Wiedererrichtung der Republik Österreich. Am 1. September 1945 kam der 9. Bezirk unter die Verwaltung der USFA (United States Forces of Austria). An der Spittelauer Lände wurde ein Feldflughafen errichtet und vom Franz Josephs-Bahnhof aus verkehrte der „Mozart-Express“ bis Salzburg und weiter nach München. 9 Jahre hat es übrigens gedauert, bis im Bezirk der gesamte öffentliche Verkehr wieder aufgenommen worden war.
Die amerikanische Besatzungsmacht prägte das Bild des Bezirks. Das Kolosseum wurde z.B. zum Soldatenkino „Yanks“. Der Platz vor der Votivkirche wurde in Roosevelt-Platz umbenannt. 1947 zog die amerikanische Botschaft in der Boltzmanngasse 16 ein.
Die Versorgung stellte nach dem Krieg ein großes Problem dar – Heiz- und Lebensmittel waren knapp, Wohnungen ausgebombt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem 560 von 1.000 Häusern beschädigt wurden (der Alsergrund stand in der Schadensstatistik von Wien an 8. Stelle), musste ein rascher Wiederaufbau von öffentlichen und privaten Gebäuden in Angriff genommen werden. Vorangetrieben wurden die Bautätigkeiten, die sich bis in die sechziger Jahre ausdehnten, durch das im Jahr 1954 beschlossene Wohnbauförderungsgesetz und Erleichterungen beim Bau von Genossenschafts- und Eigentumswohnungen.
Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955 erhielt Österreich seine Freiheit zurück. Die von den USA requirierten Gebäude gingen an ihre ursprüngliche Besitzer:innen.
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