Rudolfsheim-Fünfhaus
Von der namensgebenden Siedlung bestehend aus fünf Häusern zum 374 Hektar großen Stadtteil von Wien - die spannende Geschichte des Bezirks Rudolfsheim-Fünfhaus.

v.o.n.u.:

„General Ansicht des Schlosses Schönbrunn“, Carl Schütz, um 1820, Wien Museum

Grundrissplan von Wien mit seinen Vorstädten und dem Linienwall, Kupferstich in Rotdruck von Johann Andreas d.Ä. Pfeffel nach Leandro Anuissola und Jakob Marinoni, 1706, Wien Museum

„Plan von Wien so wie von den Ortschaften: Weinhaus, Währing, Hernals, Neulerchenfeld, Fünf- und -Sechshaus, Rudolfsheim, (enth. Braunhirschen, Rustendorf, Reindorf,) Gaudenzdorf, und Theilen von Ottakring, Meidling und Simmering. Mit den neuesten Regulierungen.“, Federlithografie, Artaria & Co Verlag, 1872, Wien Museum

15., Schwenders Kolosseum – Mariahilfer Straße / Reindorfgasse, August Stauda, um 1180, Wien Museum

15., Mareschplatz 1-2 – Wohnhausanlage Schmelz, Martin Gerlach jun., um 1926, Wien Museum

 

 

 

Viele Jahrhunderte hindurch war die Landschaft des heutigen 15. Gemeindebezirkes von Weingärten geprägt. Auf den von der Schmelz zum Wienfluss abfallenden Südhängen wurde Wein angebaut. Kleine Gruppen von Winzer- und Gärtnerhäusern gaben auch den ersten Siedlungen ihre Namen: die fünf Häuser im Gebiet der heutigen Clementinengasse wurden „Fünfhaus“ genannt, eine weitere Häusergruppe nahe dem Linienwall – dem späteren Gürtel – „Sechshaus“, und in der Nähe des Schwendermarktes gab es noch ein „Dreihaus“. Älter sind allerdings die Dörfer Reindorf und Rustendorf, die bis ins Mittelalter zurückreichen. Die Weingärten, Felder und Wiesen, mit denen dieses Gebiet bedeckt war, wurde von den Bewohnere:innen der nächstgelegenen Vorstädte, insbesondere Gumpendorf, benutzt.

Zwei Ereignisse waren für die Vororte allgemein und für das Rudolfsheimer Gebiet im besonderen, von großer Bedeutung:

– der Baubeginn von Schönbrunn im Jahr 1694 und

– die Errichtung des Linienwalls im Jahr 1704

Schloss Schönbrunn als einflussreicher Standort

Nach der osmanischen Belagerung 1683 griff die bauliche Expansion Wiens bald weit über das Areal der alten Vorstädte hinaus. 1796 wurde mit der völligen Neugestaltung Schönbrunns nach den Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach begonnen. Dies war für das zu dieser Zeit noch völlig unbebaute Land in weiterer Folge von großer Bedeutung. Maria Theresia machte Schönbrunn zu ihrer Sommerresidenz und zum Mittelpunkt des höfischen Lebens. Dies regte viele Adelige zur Nachahmung an. Sie ließen Landhäuser mit prächtigen Gartenanlagen erbauen (zum Beispiel die Arnsteingründe).

General Ansicht des Schlosses Schönbrunn, Carl Schütz, um 1820, Wien Museum

Die Linzer Poststraße wurde unumstritten zur wichtigsten Verkehrsader der Gegend, da sie den direkten Weg der Stadt nach Schönbrunn bot. Sie führte durch das Mariahilfer-Stadttor entlang der heutigen Mariahilfer Straße über Schönbrunn bis nach Linz. Die Folge war die Entstehung von Gaststätten zur Versorgung der Reisenden entlang der Straße. Auch Fuhrwerkunternehmen siedelten sich an. Dies löste erste Siedlungsimpulse aus

Zur Verteidigung der Stadt: Bau des Linienwalls

Der Bau des Linienwalls wurde unter Leopold I. im Jahr 1704 begonnen. Seine Errichtung wurde ihm von einer Hofkommission unter dem Vorsitz von Prinz Eugen von Savoyen aus Verteidigungsgründen empfohlen. Unmittelbarer Anlass war die Bedrohung durch die Ungarn unter Franz II. Racozy.
Hier mehr Informationen zum Bau des Linienwalls.

Alle Bewohner:innen der Stadt zwischen 18 und 60 Jahren mussten Schanzarbeit verrichten oder zumindest eine(n) Stellvertreter:in stellen. Für die bauliche Entwicklung Wiens, insbesondere der direkt am Linienwall gelegenen Vororte wie Rudolfsheim, war folgender Erlass von großer Wichtigkeit: Es bestand ein Bauverbot, das sich über 12 Klafter (=23 Meter) innerhalb des Walls und 100 Klafter (=190 Meter) außerhalb des Walls erstreckte. Die Folge war eine scharfe baulich Trennung zwischen Vororten und den 1850 eingemeindeten Vorstädten.

1706: Erster Plan des heutigen Bezirksgebiets

Im Zusammenhang mit dem Bau des Linienwalls entstand auch der erste Plan des heutigen 15. Bezirkes. Er wurde im Jahr 1706 von Johan Jakob Marinoni und Leander Anguissola gezeichnet. Der Hofmathematiker und Astronom Marinoni war von Prinz Eugen mit den Entwürfen zum Bau des Linienwalls beauftragt worden. Im Zuge dieser Aufgabe sollte er mit Anguissola, dem kaiserlichen Hofkartographen, einen Grundriss von Wien erstellen, der auch weite Gebiete außerhalb der Linie beinhaltete. Dieser Plan von 1706 ist schon in den Heimatbüchern von Echsel (1888) und Weyrich (1922) angeführt, doch die interessanteste Darstellung stammt von Spiesberger (1964), der den alten Plan dem heutigen Straßenraster gegenüberstellt, wodurch die zur damaligen Zeit im Vergleich spärliche Besiedlung gezeigt wird.

Grundrissplan von Wien mit seinen Vorstädten und dem Linienwall, 1706, Wien Museum

Reindorf, Rustendorf, Braunhirschen, Sechshaus, Fünfhaus

Die älteste nachgewiesene Siedlung auf dem Boden des heutigen 15. Bezirkes war Meinhartsdorf (Meinhartsdorfer Gasse), das vermutlich im Bereich zwischen Pfeiffergasse und Storchengasse lag

In einem Dokument aus dem Jahre 1178 ist überliefert, wie Uodalricus de valchinstein (Ulrich von Falkenstein), ein kinderloser Beamter Leopolds des Tugendhaften, sein Gut meinhardisdorf juxta murlingen (Meinhartsdorf bei Meidling) für sein Seelenheil dem Stift Klosterneuburg überließ. Er bekam dafür als Altersversorgung 70 Talente (zum Vergleich: ein Schwein kostete damals ein halbes Talent).

Der Ortsname taucht auch schon in früheren Urkunden auf, erstmals 1150 im Klosterneuburger Stiftungsbuch, doch ist nicht eindeutig nachweisbar, dass es sich dabei um Meinhartsdorf am Wienfluss handelt, da es in Niederösterreich mehrere Orte dieses Namens gab. Eindeutig ist erst das Dokument von 1178 durch die Beifügung „juxta murlingen“.

Im Jahre 1404 wird Meinhartsdorf zum letzten Mal urkundlich erwähnt. Historiker:innen vermuten, dass der Ort bei der Eroberung des Gebietes durch den ungarischen König Matthias Corvinus 1485 zerstört wurde. Der letzte Rest (der zentral gelegene Hof) wurde vermutlich von den osmanischen Truppen 1529 vernichtet.

Über das weitere Schicksal des Gebietes, auf dem Meinhartsdorf lag, ist für längere Zeit nichts bekannt. Aus Dokumenten erfährt man, dass hier zumindest zeitweise ebenso wie in anderen Teilen des jetzigen 15. Bezirkes Äcker und Weingärten bestanden. Die Frauen und Männer, die diese Äcker und Weingärten bearbeiten mussten, waren vermutlich rechtlose Landarbeiter:innen, die in einfachsten Lebensverhältnissen und Behausungen lebten.

In historischen Quellen genannt werden meist Flurnamen in kirchlichem Besitz. So ist im Grundbuch von St.Michael in Wien vermerkt, dass die Katholische Kirche Weingärten „in den hangenden Lüssen“ besaß und später offenbar alle Gründe im Bereich der späteren Orte Fünfhaus und Sechshaus. Die kleinen Orte im Bereich des heutigen 15. Bezirks wurden vermutlich während des zweiten Türkensturms auf Wien im Jahre 1683 zerstört. In der folgenden Zeit entstanden, zum Teil durch den Wiederaufbau der zerstörten Siedlungen, fünf Dörfer: Rustendorf, Braunhirschengrund und Reindorf (die sich  1863 zu Rudolfsheim zusammenschlossen), sowie Sechshaus und Fünfhaus.

"Plan von Wien so wie von den Ortschaften: Weinhaus, Währing, Hernals, Neulerchenfeld, Fünf- und -Sechshaus, Rudolfsheim, (enth. Braunhirschen, Rustendorf, Reindorf,) Gaudenzdorf, und Theilen von Ottakring, Meidling und Simmering. Mit den neuesten Regulierungen.", Federlithografie, Artaria & Co Verlag, 1872, Wien Museum

Fünf Dörfer

Bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts wird von der Acker-und Weingartenried „in der Ried“ gesprochen. Um 1411 wird der Name Reindorf erstmals erwähnt (als „Rhein“ wurden Acker-oder Weinbaugründe bezeichnet, die in Mulden lagen). Diese mittelalterliche Siedlung wurde aber vermutlich durch Überschwemmungen und kriegerische Einfälle wieder vollkommen zerstört.

Eine weitere Bebauung lässt bis ins Jahr 1697- ein Jahr nach Baubeginn von Schönbrunn – auf sich warten. Das wohl älteste neuzeitliche Bauwerk auf dem Boden des Bezirks war das Schloss des Barons Christoph von Plankenau am Fuße der Mariahilferstraße. Dem Anwesen angeschlossen waren drei Gärtnerhäuschen, die einfachheitshalber Dreihaus genannt wurden und sich später zu Braunhirschen vermehrten. Der Name Braunhirschen stammt von einem Gasthaus, das am Ende des 18. Jahrhunderts so populär geworden war, dass die gesamte Ortschaft danach benannt wurde. Auf dem Plan von Marioni (1706) war der Landsitz schon verzeichnet.

Viele Gaststätten prägten die Dörfer

Im Gebiet östlich der Plankenau’schen Gründe kann man schon bei Marioni drei Winzerhäuschen erkennen, die, nachdem sie auf fünf Stück angewachsen waren (1711) „Fünfhaus“ genannt wurden und dem heutigen 15. Gemeindebezirk den zweiten Teil seines Namens gaben. Diese fünf Häuser hatten ihren Standpunkt in der heutigen Klementinengasse. Weiters sind auf dem Plan noch die damals fünf Häuser an der heutigen Sechshauserstraße zu sehen. Nach Walter Hofer (Diplomarbeit 1991) handelte es dabei um die „natürliche Wachstumsspitze“ der Gumpendorferstraße, die durch den Bau des Linienwalls (1704) abgetrennt wurde. Anfang der 70-er-Jahre des 18. Jahrhunderts gab es folgenden Häuserbestand: Reindorf: 52, Rustendorf: 7, Braunhirschen: 16.

Rustendorf, nördlich der Mariahilferstraße gelegen, bestand fast nur aus Gasthäusern, die an der wichtigen Ausfahrtsstraße (früher Schönbrunnerstraße) lagen. Einige dieser Gaststätten trugen Namen, die lange Zeit einen großen Bekanntheitsgrad hatten: „Zum Reichsapfel“ (Reichsapfelgasse), „Zur Goldenen Sonne“ oder „Zum Goldenen Mondschein“ (Mondscheingasse, später Schmelzgasse, dann Lehnergasse). Auch südlich der Mariahilferstraße, in Braunhirschen, existierte eine große Zahl von Einkehrhöfen.

Die Schmelz, das riesige Areal nördlich der Mariahilferstraße bis nach Ottakring-Neulerchenfeld, blieb bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts gänzlich unbesiedelt und diente ab 1847 als Exerzierplatz. Erst 1911 gab das Militär zehn Hektar (etwa ein Fünftel des gesamten Geländes) zur Verbauung frei. Im Oktober desselben Jahres wurde mit den Grundaushebungen des ersten Hauses ( Hütteldorfer Straße 74) begonnen. Ab 1912 und vor allem nach dem ersten Weltkrieg  wurden die Häuser gebaut, die heute das „Nibelungenviertel“ bilden. Viele Straßen, Gassen und Plätze sind hier nach Gestalten des Nibelungenliedes benannt.

Von der landwirtschaftlichen Nutzung zur Industrialisierung

Erst mit der beginnenden Industrialisierung verloren diese Wiener Vororte ihren landwirtschaftlichen Charakter. Ein kleines Industriezentrum entstand in der Gegend, wo sich heute das Amtshaus des Bezirks (Gasgasse/Rosinagasse/Leydoltgasse/Zwölfergasse) befindet. Schon zu Ende des 18. Jahrhunderts wurde hier eine Gewehrfabrik errichtet, die bald einige hundert Arbeiter:innen beschäftigte. Unmittelbar daneben befand sich das „Fünfhauser Brauhaus“ mit einem weitläufigen Gastgarten. Hier befand sich auch das erste Gaswerk Wiens, an das noch die „Gasgasse“ erinnert. Ein zweites Industriezentrum entwickelte sich entlang des Wienflusses, an dessen Ufern sich verschiedene Textilbetriebe, Bleichereien, Färbereien und Stoffdruckereien niederließen. Daneben siedelten sich zahlreiche Weber, Seidenzeugmacher und andere Handwerker an, denen das Leben in den alten Gewerbevorstädten Schottenfeld und Gumpendorf zu teuer geworden war.

Die Entstehung des 15. Bezirks

Die Bevölkerung wuchs rasch an, und aus den ehemaligen Weingärten wurde ein dicht bebautes Gebiet, das aber verwaltungsmäßig aus mehreren unabhängigen Gemeinden bestand. Drei von ihnen – Rustendorf, Reindorf und Braunhirschengrund (das frühere Dreihaus) schlossen sich 1863 zu einer Großgemeinde zusammen und gaben sich zu Ehren des Kronprinzen den Namen „Rudolfsheim“. Als im Jahre 1890 alle Vororte nach Wien eingemeindet wurden, bildeten Rudolfsheim und Sechshaus den 14. Bezirk, Fünfhaus konnte seine Selbständigkeit als 15. Bezirk behaupten. Dem setzte erst 1938 der Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland ein Ende: Rudolfsheim und Fünfhaus wurden zu einem Bezirk zusammengefasst

Tor zum Westen des Landes

Von besonderer Bedeutung für den Bezirk war stets seine Lage an den Verkehrswegen, die von Wien nach Westen führten. Hier führte die alte Linzer Poststraße – die heutige Mariahilfer Straße – durch und seit 1858 endet hier auch die (Kaiserin-Elisabeth) Westbahn. Entlang der alten Straßen und der Bahn siedelten sich zahlreiche Einkehrgasthöfe und Hotels an. Im 19. Jahrhundert war der heutige 15. Bezirk berühmt für seine großen Vergnügungslokale und Gastgärten. In „Schwenders Collosseum“, beim „Zobel“ oder im „Schwarzen Adler“ fanden tausende Besucher:innen Platz, die sich bei Konzerten, Sommerfesten oder Maskenbällen amüsierten. Die großen Säle dieser Gaststätten dienten aber auch der Wiener Arbeiterbewegung, die sich ab 1867 zu formieren begann, als Ort für ihre Arbeitertage und Versammlungen. In „Schwenders Collosseum“ wurde am 15.12.1867 auch der Erste Wiener Arbeiterbildungsverein gegründet.

15., Schwenders Kolosseum - Mariahilfer Straße / Reindorfgasse, August Stauda, um 1180, Wien Museum

Am spätesten wurde das Gebiet der Schmelz verbaut. Bis zum Ersten Weltkrieg diente sie als Exerzierplatz, auf dem der Kaiser aus dem nahen Schönbrunn seine Truppen inspizierte. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie nahm sie die Bevölkerung in ihren Besitz: Am Mareschplatz entstand eine der ersten Wohnsiedlungen des „Roten Wien“, und die Genossenschaft „Zur frohen Zukunft“ legte eine ausgedehnte Kleingartenkolonie an. Nicht weit davon, zwischen Johnstraße und Wurmsergasse, entstand eines der interessantesten Wohnexperiment jener Zeit: der als Einküchenhaus geplante „Heimhof“, dessen Bewohner:innen über eine gemeinsame Großküche versorgt wurden.

15., Mareschplatz 1-2 - Wohnhausanlage Schmelz, Martin Gerlach jun., um 1926, Wien Museum

Die Wandlung von Kleinstdörfern zu vollintegrierten Teilen einer Zweimillionen-Weltstadt erfolgte innerhalb von nur 200 Jahren. Die Zeit von 1848 bis 1890 war in besonderer Weise prägend. 1848 wurde als Folge der revolutionären Ereignisse das Gemeindegesetz geschaffen, das die Grundherrschaft abschaffte und den Gemeinden einen selbständigen Status gab. Im Jahr 1890 erfolgte der Beschluss der Eingemeindung der Vororte rund um Wien und zur Bildung der Bezirke 11-19.

Am 15. Oktober 1938 wurden der 14. und der 15. Bezirk unter dem Namen „Fünfhaus“ zusammengeschlossen und um die Häuserblöcke „Neupenzing“ vergrößert. Am 15. Februar 1955 wurde auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses der 15. Bezirk auf „Rudolfsheim-Fünfhaus“ umbenannt. Sein Areal umfasst 374 Hektar.