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Bezirk
04. Wieden
Monat
Juni
Jahr
2024
Kategorie
Vortrag

19. Juni 2024   18.30 Uhr

(Al)chemiehistorische Spaziergänge durch das mittelalterliche Wien

Michael Puff_1498_Destillierbuch

Schwerpunkt Medizin im Mittelalter

Univ.Doz. Dr. Werner Soukup: (Al)chemiehistorische Spaziergänge durch das mittelalterliche Wien

Wenig bekannt ist, dass sich das älteste Industriedenkmal Österreichs innerhalb der Stadtgrenze Wiens befindet, nämlich das Hornsteinbergwerk auf der Antonshöhe in Mauer, wo seit der Jungsteinzeit, also ab ca. 5500 v.Chr. abgebaut wurde. Auch die Römer nutzten Rohstoffvorkommen rund um Vindobona: Die Legionsziegelei befand sich in Hernals (Bereich Steinergasse), die Glaswerkstätte am heutigen Judenplatz.

Ein Gang durch Straßen im Bereich Freyung/Am Hof erinnert an Färber, Gerber, Glaserer und Münzmeister zur Zeit der Babenberger. Erst 1561 mussten die Weißgerber wegen des Gestanks aus der Innenstadt in die Vorstadt übersiedeln – zur Weißgerberlände.

Um 1348 schrieb Konrad von Megenberg, Rektor der St. Stephansschule am Stephansplatz, sein „Buch der Natur“, in dem er die Herstellung von Pflanzenextrakten (z.B. Weidenextrakt) erwähnt, die als Arzneien Verwendung fanden. Im 15. Jahrhundert verfasste der an der Universität Wien tätige Prof. Michael Puff aus Schrick das erste (1477) im Druck erschienene Destillierbuch der Welt. 1538 scheitert Theophrastus, genannt Paracelsus, der in illegaler Weise am Lugeck als Arzt praktizierte, daran, hier in Wien seine chemiatrisch-medizinischen Schriften drucken zu lassen. Anno 1613, „als zu Wien die hitzigen Fieber grassierten“, erzielte der 23-jährige Arzt Mag. Johannes Agricola in Spitälern unweit der Hofburg große Heilungserfolge mit genau jenen Präparationen, die 75 Jahre zuvor von Paracelsus propagiert worden waren. Zudem berichtete er, dass er auf dem Kohlmarkt einen Alchemisten angetroffen habe, der versucht hätte, „die Lunam fix zu machen“. Ein anderer Wiener Alchemist, berichtet Mag. Agricola, hätte sich abgemüht, aus oleum Mercurii Gold und Silber zu transmutieren, was den jungen Arzt zu Bemerkung veranlasste, ein solches „Affenspiel“ wäre eigentlich „ein großer Jammer“.

In späterer Zeit erregten noch etliche andere Alchemisten hier in Wien mit ihren Vorführungen Aufsehen: Johann Conrad Richthausen, der in der Rotenturmstraße zur Welt kam, wurde von Kaiser Ferdinand III. unter dem Namen Freiherr von Chaos in den Freiherrnstand erhoben, Kaiser Leopold I. stellte dem betrügerischen Alchemisten Wenzel Seiler ein Laboratorium auf der Wasserkunstbastei zur Verfügung und unter Maria Theresia wurde der Alchemist Seefeld unweit des Bades von Rodaun verhaftet.