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2. Oktober 2024 18:30 Uhr
Dem Wissenschaftstheoretiker Alois Riehl zum 100. Todestag
Zum 100. Todestages des Philosophen und Wissenschaftstheoretikers Alois Riehl (1844–1924)
Zwei Vorträge
Eine Veranstaltung der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftstheorie in Zusammenarbeit mit dem Bezirksmuseum Wieden
Dr. Josef Hlade:
Alois Riehl als Wissenschaftstheoretiker
Alois Riehl gilt neben Ernst Mach, dessen Nachfolger er in Wien werden sollte, als einer der ersten Vertreter einer „Wissenschaftstheorie“ (diesen Begriff hat Riehl geprägt).
Alois Riehl (1844–1924) war einer der ersten Philosophen, die den Begriff der „Wissenschaftstheorie“ verwendeten. Das Referat soll mit einem kurzen biographischen Abriss und der Schilderung der Bedeutung Riehls für das am Ende des 19. Jahrhunderts entstehende Fach der Wissenschaftstheorie beginnen. Als besonders bedeutsamer Aspekt seiner Wissenschaftstheorie soll insbesondere seine Metaphysik- und Ideologiekritik im Mittelpunkt dieses Referates stehen.
Riehl ging es dabei um die Prüfung des epistemischen Wertes metaphysischer Hypothesen. Dazu führt er ein Sinnkriterium ein, um rational sinnvolle Aussagen von sinnlosen Aussagen zu unterscheiden. Während wissenschaftliche Hypothesen durch den Beweis der Richtigkeit der Hypothese verifiziert werden können, fehlt metaphysischen Hypothesen der epistemische Wert in Bezug auf die Wirklichkeit. Riehl bezeichnet metaphysische Systeme als Ausdruck einer frühen Phase der Wissenschaftsentwicklung und eines älteren Denktyps, der vor allem gekennzeichnet sei durch a) den Anspruch, ein geschlossenes System von Erkenntnissen über die Welt geben zu können, b) eine Missachtung von Erfahrung und eine Tendenz zur Transzendenz sowie c) eine Vermischung von wertfreiem Wissen und Ideologie.
Alois Riehls philosophische und wissenschaftstheoretische Ziele waren,
* die Strukturen und Entwicklungen wissenschaftlicher Produktion zu beschreiben,
* Lehren aus der Wissenschaftsgeschichte zu ziehen,
* Wissenschaft von Pseudowissenschaft abzugrenzen,
* eine Wissenschaft ohne Werturteile zu begründen,
* Kriterien der Verifikation festzulegen, d.h. festzustellen: Was ist eine Tatsache?,
* zu beschreiben, mit welchen Einzelproblemen sich Wissenschaft beschäftigt, welche Methoden sie anwendet und welche Arten von Wissenschaft es gibt.
Giuseppe Motta
Alois Riehl, Kant und die österreichische Philosophie
(ein Beitrag zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant)
Es wird allgemein angenommen, dass die beiden Hauptformen des Neukantianismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Marburger Schule um Hermann Cohen, Paul Natorp und Ernst Cassirer und die Südwestdeutsche Schule von Wilhelm Windelband, Heinrich Rickert und Emil Lask sind. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass Alois Riehls besondere Aktualisierung der „Kritik der reinen Vernunft“ eine viel größere Aufmerksamkeit in der philosophischen Debatte der letzten Jahre verdient hätte. In Erweiterung der Verwendung geographischer Metaphern in der Philosophiegeschichte meinen wir, dass der spezifische „österreichische“ Weg zu Kant viel stärker hätte berücksichtigt werden müssen. In diesem Vortrag schlage ich eine „Riehlsche“ Untersuchung des kantischen Wahrheitsbegriffs vor. Ganz allgemein werde ich dafür argumentieren, dass es erstaunlicherweise noch heute notwendig ist, Kants erste Kritik (und seine theoretischen Schriften im Allgemeinen) aus der besonderen Perspektive der Interpretation von Alois Riehl zu lesen.
Die Vortragenden:
Dr. Josef Hlade ist Universitätsassistent am Institut Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin (Josephinum) und Postdoctoral researcher bei der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Er ist Leiter des Projektes „Geschichte der Gesellschaft der Ärzte in Wien: Die kritischen Jahre 1930 – 1960“. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen neben medizingeschichtlicher Forschung die Erforschung der Geschichte der analytischen Philosophie und des Neukantianismus.
Giuseppe Motta (aus Bergamo, Italien) hat Philosophie in Milano, Paris und Marburg an der Lahn studiert. Seine Dissertation über Immanuel Kants wurde bei Walter de Gruyter publiziert: „Die Postulate des empirischen Denkens überhaupt. Kritik der reinen Vernunft, A 218-235/B 265-287“). 2013 − 2019 Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Karl-Franzens-Universität Graz, 2016 − 2019 Lehrbeauftragter der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, seit April 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Wien, Habilitation, 2022/23 Vertretungsprofessor für Geschichte der Philosophie an der Universität Graz.