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07. Neubau
Monat
September
Jahr
2025

Otto Alscher: Von der Westbahnstraße in die Wiener Moderne

19.09.2025—01.10.2025

Wien: Ausbildung und Bohémeleben / von Helga Korodi
Otto Alscher schreibt am 8. Mai, 1910 an den Herausgeber des „Lexikons der deutschen
Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“, 1913: Nachdem
ich die in Ungarn üblichen sechs Bürgerschulklassen beendet hatte, kam ich nach Wien in die
Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, um mich in der Porträtphotographie auszubilden. Dies
war 1898. Wien machte natürlich einen großen Eindruck auf mich, veränderte mein ganzes
Denken, so dass mir die Photographie bald nicht mehr genügte. Ich war zwar noch nach
Beendung des Studiums in Ateliers als technischer Leiter tätig, verließ aber 1902 diesen Beruf
ganz, um mich der Journalistik zuzuwenden. Erst der an magyarischen Blättern, dann nebst der
Schriftstellerei der deutschen Sprache. Dies ermöglichte mir nur ein bloßes Bohémeleben und
auch dies genügte meiner mit der Natur verknüpften Ungebundenheit nicht. 1904 heiratete ich,
siedelte mich bei Orsova an, wo ich seitdem als selbständiger Schriftsteller lebe. […]“ Der Brief
befindet sich heute in der „Staatsbibliothek Zu Berlin“.
Am 16. September 1898 wurden die Brüder Otto und Hugo Alscher als ordentliche Schüler in
den „zweiten Curs der K.k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, I. Section:
Lehranstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren“, in der Westbahnstraße
eingeschult. Mag. Klaus Walder gibt Auskunft über die Schüler-Akte der Alscher Brüder im
Archiv der „Graphischen Sammlung der Höheren Graphische Bundes- Lehr- und
Versuchsanstalt", Wien XIV, Leyserstraße 6. Als Vorbildung wird bei beiden „Volksschule und
sechs Bürgerschulklassen“ vermerkt. In der Rubrik „Praxis“ steht: „Im Atelier des Vaters
vorgebildet“. Laut Statut zahlt ein Schüler 10 Gulden pro Semester, zusätzlich einen Gulden
Lehrmittelbeitrag.
Die Alscher Brüder wohnen in der Hermanngasse, Nr. 27. Das Relief über dem Portal zeigt ein
Atelier mit jugendlichen Handwerkern und Künstlern, eine Harfe prangt über dem Eingang
zum Haus vis-à-vis. Gediegenes Handwerk bildet die Grundlage der Kunst, hier lässt
Schopenhauer grüßen: Die Genüsse der Sensibilität: sie bestehen im Beschauen, Denken,
Empfinden, Dichten Bilden, Musiciren, Lernen, Lesen, Meditieren, Erfinden, Philosophieren u.s.w.
Der Sensibilität gehören unseren Erkenntniskräfte an […]. (Parerga und Paralipomena)
Klimt wohnt in der Westbahnstraße 36, wenn er aus der Haustür tritt, erlebt die ganze Straße
den Meister aus der Nähe. Für die Schüler der Westbahnstraße wird der Künstler zur
lebendigen ‚Sculptur’ an einer Schnittstelle zwischen ewiger, bleibender Zeit und
individuellem Zeitgefühl. „Nur die innere Bedeutsamkeit gilt in der Kunst: die äußere gilt in
der Geschichte.“, sagt Schopenhauer.

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Der Leitspruch des naturhistorischen Museums „Dem Reiche der Natur und seiner
Erforschung“ und die populär-wissenschaftlichen „Welträthsel“ Ernst Haeckels führen das 19.
Jahrhundert, das „Jahrhundert der Naturwissenschaft“ mit der „gelehrten Tradition der
Offenbarung“ zusammen.
Die „ordentliche(n) Schüler“ erlernen Porträtphotographie und Retouche bei Heinrich
Kessler, Kursvorstand ist Carl Kampmann. Doch auch die Kenntnisse in den Fächern
„Photochemie und Photographie“, „Methodik des Druckverfahrens“ und die „Praktischen
Übungen in Photographie u. Reproductionsverfahren“ werden auf gestalterische Ideen
bringen. „Jeden Körper als Summe einzelner Flächen zu begreifen, wird als Grundlage im
Zeichenunterricht geübt.“ Oberes Belvedere, 2020)
Als „außerordentliche Schüler“ eignen sich die Alschers das Aquarellmalen und
Freihandzeichnen bei Dr. Balz an. Ihre Schülerarbeiten, die den fotografischen Blick,
handwerkliche und kunstgeschichtliche Kenntnisse sowie den Bezug zwischen Farben und
Stimmung vertiefen, haben die Zeiten nicht überdauert. Alscher belegt das Fach
Kunstgeschichte „mit Lob”; „Photochemie und Photographie” hingegen mit „befriedigend“, so
das Zeugnis vom 14. Juli 1899.
Den Brüdern dürfte die ‚Pressekampagne’ über den ‚Meister des Nichtstuns und Dochlebens’“
im "Wiener Welt-Blatt", am 9. Oktober 1898, nicht entgangen sein. Ohne Aussicht auf einen
Käufer […] war das Werk Ausdruck eines Künstlers, der sich allein seiner ästhetischen Mission
verpflichtet fühlte, ganz gleich, ob diese marktgängig war oder eben nicht. Zwischen 1900 und
1901, als die Wiener Presse verstärkt seine ‚Fakultätsbilder‘ unter Beschuss nahm, wurde eine
derartige Haltung für Klimt von immer größerer Bedeutung. (Katalog, Künstler und Propheten)
Die Seilergasse, wo Diefenbachs Fries, Frühwerk und gemalte Philosophie: „Per aspera ad
astra“ seit dem 20. März 1898, ausgestellt war, liegt etwa eine Viertelstunde Fußweg von der
Wohnung oder der Schule entfernt. In einem Zwischenspiel zwischen innerer und äußerer
Wirklichkeit werfen die Felsen ein symbolistisches Echo zurück und spornen zur
Selbstverwirklichung an. Heiterkeit schwingt in der einladenden Prozession. Die Sphinx weiht
das große Ganze. Selbsterkenntnis wird dem Betrachter zuteil. Hier fühlt sich so mancher als
ein Bruder Mowgli’s und stimmt mit Kiplings Bären Baloo, dem Leitwolf Akela und dem
Panter Bagheera den „Night-Song in the Jungle“ an: „Oh, hear the call! – Good hunting all /
That keep the Jungle Law!“, ein Gesang der Brüderlichkeit und Selbstbehauptung. Menschen
und Tiere, im Wesen sich gleich und – damals jüngst durch Darwin erforscht – nur verschieden
im Grad der Entwicklung, teilen in Harmonie den paradiesischen Lebensraum, verkündete
Diefenbach.

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Als Bohemien antizipierte Alscher seinen Augenblick mit Seele, er springt mit dem Fries-Wolf
über die Kluft und gewinnt einen Überblick im Entfaltungsraum der Evolution. Die Affen, die
Dilettanten des Kiplingschen „Dschungelbuchs“, die sich selbst und ihre Unfehlbarkeit
besingen, ohne Sinn für die Gesetze des Urwalds, wandeln sich bei Diefenbach in ihrem
Naturell, dem Darwin-Fries im Naturhistorischen Museum entsprechend. Im sogenannten
„Darwin Fries" von Johannes Benk in der Kuppel des NHM [2024: im Raum 15] wird Darwins
Werk ‚Die Abstammung des Menschen‘ direkt angesprochen. Die ‚erschreckende Erkenntnis der
Tierverwandtschaft‘ wird hier mit einem Augenzwinkern veranschaulicht. (Naturhistorisches
Museum, Wien, 2024)
Der österreichische Kulturraum hat Gusto Gräser, ein Mitglied der Kommune Diefenbachs auf
dem „Himmelhof" in Wien, Ober St. Veit, und Otto Alscher geprägt. Fast zeitgleich
betrachteten die beiden Studenten aus dem damaligen Ungarn Diefenbachs gemalte Natur-
Philosophie und fühlten sich von der Prozession der Menschen und Tiere zwischen Sphinx
und Fels des „Per aspera ad astra“ – Frieses aufgenommen.
Wenn Otto die ethische Sprache Diefenbachs reflektiert, so fühlt er sich gewiss nicht als
hinterlistiger Jäger. „Nicht mehr zu fürchten haben die Tiere das mordende Blei und die Falle
des hinterlistigen Jägers, und nicht mehr das grausige Mordbeil des Schlächters, und die
Menschen nicht mehr die einstige Blutgier der Bestie’ (Katalog: Karl Wilhelm Diefenbach.
Sonderausstellung des Wien Museums 2011). Eine Falle stellen ist gewiss ein Vergehen, und
ein Tier seiner Freiheit berauben, moralisch verwerflich. Die Jagd hingegen entwickelt die
Sensibilität für Natur und Tier und hat in Alschers Perspektive auf den „Kreislauf des Lebens"
den Segen der Sphinx, der den Gegensatz zwischen Mensch und Tier aufhebt, und einen
Einblick in die Dynamik des Lebens gewährt.
Emblematisch verweist Alschers Autorenfoto, das er für den S. Fischer entwerfen wird, auf
seinen ästhetischen Schwerpunkt, der sowohl ein darwinistisches Evolutionsmodell als auch
eine lebensphilosophische Wandlung versinnbildlicht. Der Jäger, der seine Jagdbeute schultert
und sich auf diese rückbesinnt, schreitet als Mischwesen in seinem Dasein voran, als Referenz
zu den Hybridwesen zwischen Natur und Mensch, des österreichischen Bildhauers Rudolf Weyr
(1887-1914).
Und wenn Alscher und Gräser jemals einen Chef in ihrem Leben anerkannten, dann war es
Ferdinand von Hochstetter. [D]er erste Intendant des Naturhistorischen Museums Wien, war
einer der frühen Anhänger von Charles Darwin. Er erhob Darwins damals noch umstrittene
Evolutionstheorie zum Leitmotiv des neuen Museums. Geschichte und Entwicklung des Menschen
(Völkerkunde, Prähistorie und Anthropologie) wurden in die Ordnung der Natur einbezogen und

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machten das Wiener Naturhistorische Museum zum konsequenten Evolutionsmuseum der Welt.
(Naturhistorisches Museum, Wien, 2024)
Auch wenn Otto und Hugo den Himmelhof nur von außen und aus der Presse kannten, so
nahmen sie trotzdem teil an einer „Kunstf für alle“- Stimmung. „Es war eine besonders
glückliche Atmosphäre, bedingt durch den künstlerischen Humus der Stadt, die unpolitische
Zeit, die drängende Konstellation geistiger und literarischer Neuorientierung um die
Jahrhundertwende, die sich in uns chemisch dem immanenten Produktionswillen verband,
der eigentlich dieser Lebensstufe beinahe zwanghaft zugehörig ist“, erinnert sich Stefan
Zweig in „Die Welt von gestern".
Ohne Aussicht auf einen Käufer war das Werk [Diefenbachs] Ausdruck eines Künstlers, der sich
allein seiner ästhetischen Mission verpflichtet fühlte, ganz gleich, ob diese marktgängig war
oder eben nicht. Zwischen 1900 und 1901, als die Wiener Presse verstärkt seine ‚Fakultätsbilder‘
unter Beschuss nahm, wurde eine derartige Haltung für Klimt von immer größerer Bedeutung.
(Katalog, Künstler und Propheten)
Am 12. November 1898 wird das Haus der Secession eingeweiht. Ab 1899 abonnierte die
Schule die Zeitschrift „Ver Sacrum. Bibliothekar Eduard Kuchinka überwachte den
Lektüresaal. Klimt „hat sich – abgesehen von seinem Beitrag von elf Tafeln für das Werk
‚Allegorien und Embleme’ (Wien 1882-1900) nur für ‚Ver Sacrum’ als Buchkünstler betätigt.“
(Nebehay) Ludwig Hevesi, „dem unermüdlichen Chronisten des ‚Wiener Kunstfrühlings’“
zitiert den Glückwunsch der Pariser „Chronique des Arts“ zur Zeitschrift „Ver Sacrum“: Das
Gesamtbild ist das einer höchst künstlerischen Zeitschrift. Sie ist, wie wir hoffen wollen, ein
Zeichen, dass auch in Österreich eine wirklich lebendige, wirklich nationale Kunst erwacht, die,
wie das symbolische Bäumchen auf dem Umschlage dieses Heftes, die schlecht gefügten Blätter
der alten Konventionen, welche sie zusammenpressten, sprengen wird, um ihre Wurzeln in
freies, fruchtbares Erdreich zu tauchen, und wir senden unseren Kollegen die aufrichtigsten
Wünsche, dass alle Hoffnungen und Versprechungen ihres ‚Frühlings‘ sich bald in saftige Früchte
verwandeln mögen.
Den Titel führt Hevesi auf Uhlands Gedicht „Weihefrühling“ zurück. „Die Zeitschrift hatte sich
‚allseitige Pflege der Kunst im Sinne einer organischen Kunstauffassung, die das (sic) gesamte
Bereich des künstlerischen Schönen umfasst und ein wirkliches Kunstleben nur im starken
Nebeneinander aller Künste sieht’ zum Ziel gesetzt“. (Nebehay)
Im Sog der Allegorien der Moderne findet Otto seine Traumpfade. Symbole bestimmen Wege
und Tagesablauf, in einer lebhaften Kommunikation nach den freien Rhythmen des

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Universums, das- wie Ralph Waldo Emerson in dem Essay „Nature" festlegt – aus Natur und
Seele zusammengesetzt ist.
Klimts „Jurisprudenz" zeigt jedem, dass Recht und Gerechtigkeit auseinanderklaffen.
Alscher zieht in einen Außenbezirk mit erschwinglichen Mietpreisen. Wien hat ihm den
Glauben an eine lebensfähige Liebe beschert, aber auch ein dämonisches altes Fräulein
beschert. Laut Sohn, Helmut Alscher, lernten sich die Eltern „in einem literarischen Klub“
kennen. Dort hat sie ihn beobachtet und als leichte Beute eingestuft. Leopoldine Elisabeth
Amon, deren Künstlernamen Else sein wird, ist eine der zehn Töchter eines Schwechater
Sattlermeisters, die am 19. September 1877 auf die Welt gekommen ist. Otto stammt aus
einem Banater Milieu-Mix, der Vater, Rechnungsoffizier, erlernte das Handwerk der
Fotografie von der Mutter, die ein Atelier führte. Die Eltern fotografierten aber keine Kunst,
sondern nur Hochzeiten, ab und zu auch offene Särge und immer nur langweilige Gesichter.
Leopoldine Elisabeth Amon, muss ihn wohl als faul eingestuft haben. Damals im Kaffeehaus
der Peripherie hat sie sein schwankendes Selbstbewusstsein genutzt und das Steuer in die
Hand genommen. Noch trägt sie Masken zu jeder Gelegenheit und verbirgt ihre Meinung über
ihr Gegenüber, während sie gnadenlos im Kampf um Selbstbewusstsein und Selbstachtung
austeilt. Schließlich hat auch sie einiges von der Gesellschaft abgekriegt, was Stefan Zweig so
beschreibt: Das unverheiratete Mädchen wurde zum ‚sitzengebliebenen Mädchen’, das
sitzengebliebene Mädchen zur ‚alten Jungfer’, an der sich der schale Spott der Witzblätter
unablässig übte. Wer heute einen alten Jahrgang der ‚Fliegenden Blätter’ oder eines der anderen
humoristischen Organe jener Zeit aufschlägt, wird mit Grauen in jedem Heft die stupidesten
Verspottungen alternder Mädchen finden, die in ihren Nerven verstört, ihr doch natürliches
Liebesverlangen nicht zu verbergen wissen. Statt die Tragödie zu erkennen, die sich in diesen
geopferten Existenzen vollzog, die um der Familie und ihres guten Namens willen die
Forderungen der Natur, das Verlangen nach Liebe und Mutterschaft, in sich unterdrücken
mussten, verhöhnte man sie mit einem Unverständnis, das uns heute degoutiert. Aber immer ist
eine Gesellschaft am grausamsten gegen jene, die ihr Geheimnis verraten und offenbar machten,
wo sie durch Unaufrichtigkeit gegen die Natur einen Frevel begeht.
Otto, der in ihrer Einschätzung nach, etwa die gesellschaftliche Position eines Hilfslehrers hat,
kommt ihr zupass. Sie teilt seine hochfliegenden Träume und lässt ihn in einer ärmlichen
Wirklichkeit aufwachen. „Die schlimmste Drohung, die es in der bürgerlichen Welt gab: der
Rückfall ins Proletariat“, beobachtete Stefan Zweig.
In dem autobiografischen Roman „Ein Jahr“ wird sie sich unter dem Namen Else Alscher als
das Frl. Melanie darstellen, das den Herrn Brunegger in ein Abenteuer verstrickt, während er

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fest an seine Rückkehr in die Utopie der Kindheit glaubte.
Er hatte bereits im Vorjahre mit seiner Gärtnerei sehr hübsche Erfolge erzielt, und der alten
Köchin des Kinderheimes, Katherine, die für die leibliche Gesundheit des größten Teiles der
Zöglinge zu sorgen hatte, manchen Gang zum Markte erspart, weshalb sie Herrn Brunegger mit
einer Verehrung beglückte, die edleren Dingen als Kraut- und Kohlköpfen würdig gewesen wäre.
Sie stand eben beim Fenster, als Herr Brunegger angesegelt kam.
‚Schön guten Tag, Herr von Brunegger,‘ – sagte sie adelte alle, die ihr zu Gesicht standen – rief
sie, als sie den Lehrer erblickte. Er dankte ihr freundlich und nickte ihr zu.
‚A liaber Mensch‘, wandte sie sich dann in die Küche zurück zu der Wärterin, der ältlichen Lina.
‚Nur ein bissel scheu und bescheiden, nix für die heutigen Zeiten.‘ Sie ging bei diesen Worten zum
Herde und begann in den großen Töpfen zu rühren, wo große Fleischstücke und Gemüse kochten
und dampften.
Die Kinder, die im Heim gespeist wurden, marschierten eben in das Esszimmer, das an die Küche
grenzte, um hier von der Wärterin Lina ihren Teller mit Suppe zu erhalten.Fräulein Melanie
guckte für einen Augenblick zu den Kindern hinein und sah dem schmausenden Völkchen zu.
Dann ging sie in den Garten zurück. Ihre Augen suchten Lehrer Brunegger, der eben ein Beet
gerade rechte und eifrig bei der Arbeit war. Ihre volle Gestalt schritt wiegend auf ihn zu.
Max Klingers Beethovenskulptur und Gustav Klimts „Beethovenfries“ sind ein Höhepunkt des
Wiener Jugendstils. Die 14. Ausstellung der „Vereinigung bildender Künstler Österreichs
Secession“ im Jahr 1902 stand unter dem Leitgedanken der „Sehnsucht nach dem Glück".
Dazu sagt Else: „Man muss das Glück korrigieren, wenn es sich allzu vergesslich zeigt."
Sie teilt seinen Wunsch in ein künstlerisches Milieu aufzusteigen und begutachtet seine
allzu biedere, aber auch fadenscheinige Kleidung. Selbst als er den Anzug beim Schneider
anprobierte, hatte er kein gutes Gefühl in der eigenen Haut, nun merkt er, wie er aneckt:
Abends machte er mit besonderer Sorgfalt Toilette. Und da fiel ihm zum ersten Mal die fast
schäbige Einfachheit seiner Kleidung auf. Er hatte keine große Auswahl, besaß außer dem Frack,
der für festliche Gelegenheiten bereit sein musste, und noch zwei Anzüge, einen besseren und einen
für die Schule. Auch die Krawatten fand er nicht auf der Höhe und nahm sich vor, einige
Privatstunden zu geben, um sich eleganter kleiden zu können; nicht seiner Person zuliebe, nein, er
war nicht eitel. Aber wenn man Damenbesuche zu machen hatte, war es wohl notwendig, mehr
Sorgfalt auf das Äußere zu legen … Mit diesen Gedanken begab er sich auf den Weg nach dem
nahen Kindergartengebäude.
Wahrscheinlich trug er zur Abwechslung den Pullover, den ihm seine Mutter strickte, ihrer
Meinung nach, eine gelangweilte und langweilige Person. An den langen Winterabenden, liebe

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Schwiegertochter, wenn draußen der Schnee kniehoch liegt und man um vier Uhr schon die
Lampe anzünden muss, dann setze ich mich zum Ofen und stricke und denke an meinen Jungen,
und sorge mich um ihn, und strick‘ halt wieder.
Im Spannungsfeld zwischen dem Handwerker- und Künstlermilieu täuscht sie „Ergriffenheit“
vor und führt ihn an der Nase herum. Else meinte, ihre Kleider wären schön, und seine nicht,
für sich entwirft sie ein Wiener Werkstätte Kleid und schlüpft in die Rolle der begehrenswerten,
Mode bewussten Frau. Weich umfloss das hellblaue Hauskleid ihre frauenhaft runden Formen
und elastisch und energisch zugleich war ihr Schritt.“ Auf einem Foto im Nachlass des Sohnes,
Helmut Alscher, gibt sich Else, mit edlem Schmuck und luftiger Kleidung. Nach dem Prinzip, der
„Schönheitslinie der Natur“, das Bölsche in der Zeitschrift „Wiener Mode“ veröffentlicht.
Otto wird ihr das blaue Kleid – als Symbol einer von Langeweile verbrauchten Frau – noch
nach vielen Jahren andichten. Und sie hat ihm gezeigt, wie sehr er die soziale Wirklichkeit
verkannte. Ist meine Heimat nicht schön, Melanie?! Und so schwer entbehrte ich sie, fast so
schwer wie meine Mutter! (…) Aber Melanies Gedanken weilten bereits anderswo, sprangen zurück
in ihr Heim, in ihre vielgeliebte Vaterstadt, das schöne Wien – .
Er lernt mit sich selbst zu kommunizieren, worüber Schopenhauer zustimmen würde. Wer
nun aber, zumal in jüngeren Jahren, so oft ihn auch schon gerechtes Missfallen an den Menschen
in die Einsamkeit zurückgescheucht hat, doch die Oede derselben, auf die Länge zu ertragen
nicht vermag, dem rathe ich, dass er sich gewöhne, einen Theil seiner Einsamkeit in die
Gesellschaft mitzunehmen, also dass er lerne, auch in der Gesellschaft, in gewissem Grade, allein
zu seyn, demnach was er denkt nicht sofort den Anderen mitzuteilen, und andererseits mit Dem,
was sie sagen, es nicht genau zu nehmen, vielmehr moralisch wie intellektuell, nicht viel davon
zu erwarten und daher, hinsichtlich ihrer Meinungen, diejenige Gleichgültigkeit in sich zu
befestigen, die das sicherste Mittel ist, um stets eine lobenswerte Toleranz zu üben.
Alscher leiht der Frau, deren Wirklichkeit und Träume unbeachtet blieben, Bücher über
Landwirtschaft, doch sie sei keine Bäuerin, notierte sie, was er in seinem Erfolgsroman „Gogan
und das Tier" zurechtwies: Die von Vadházi hatten sich zu halten vermocht, hatten noch dazu
erwirtschaftet, weil es bei ihnen Familientradition war, dass ein echter Vadházi auch ein guter
Landwirt sein müsse.
Ohne auf den Umlaufbahnen zwischen den Tischen anzuecken, erkannte er seinen Platz, an
dem ihm Ideen zuflossen, abseits des „Jung-Wien“, worüber Stephan Zweig berichtet: „Ebenso
verächtlich wie unseren Körper zu trainieren, schien es uns, Zeit mit Spiel zu vergeuden;
einzig das Schach fand einige Gnade vor unseren Augen, weil es geistige Anstrengung

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erforderte; und – sogar noch absurder – , obwohl wir uns als werdende oder immerhin
potentielle Dichter fühlten, kümmerten wir uns wenig um die Natur.“
In einem Ausblick, der sich bewusst oder unbewusst, vielleicht durch die Zeitung, vielleicht
durch die Seele mitteilt, erscheint der Wolf als seelenverwandter Fremder.
Dass der Traum über Erinnerungen verfügt, welche dem Wachen unzugänglich sind, ist eine so
merkwürdige und theoretisch bedeutsame Tatsache, dass ich durch Mitteilung noch anderer
‚hypermnestischer‘ Träume die Aufmerksamkeit für sie verstärken möchte, liest Alscher in
Sigmund Freuds „Die Traumdeutung".
That winter in his home in Piedmont, he did take the time to write his masterpiece, The Call of
the Wild. The novel is not so much the story of a dog that becomes a wolf as a myth about life
and death in nature. It is a saga of the unconscious, written without self-criticism in an age
before Jung was known in America. Jack claimed later that he wrote it without any thought
about its deeper significance as a human allegory. (Sinclair, Andrew: Jack. A Biography of Jack
London, 1977)
Auf derselben Frequenz mit der Landschaft schaltet sich Alscher mit den Wölfen seiner
Jugendzeit in den „Song of the Younger World, which is a song of the pack“ ein. Die Einsamkeit
ruft nach dem Doppelgänger. Instinkte wirken in der „Seele, welche, die längste Leiter hat, und am
tiefsten hinunter kann, […] die sich selber in weitesten Kreisen einholt“, liest Alscher in Nietzsches
„Ecce Homo"-
Symbolistische Klangmalereien verbinden die fröhlichen Rudel in Alaska und in den Karpaten
durch eine Koinzidenz, in der das Wolfsgeheul eine unbegrenzte Sicht auf Evolution und
persönliche Entwicklung eröffnet, im Einklang mit Thoreaus „Walking": In short, all good
things are wild and free und Nietzsches „Die Geburt der Tragödie": Die Einführung des Chores
sei der entscheidende Schritt, mit dem jedem Naturalismus in der Kunst offen und ehrlich der
Krieg erklärt werde.
„Tatsächlich gibt es keine Wahrnehmung, die nicht mit Erinnerung gesättigt ist“, heißt es in
Henri Bergsons „Materie und Gedächtnis“, eine Wahrnehmung , die Else aus ihrer sowie aus
seiner Perspektive beobachtet und seiner Fähigkeit nachspürt, aus der gesellschaftlichen
Realität in eine Welt der Urbilder zu wechseln. Wenn er dann des Herumschlenderns müde
ward, setzte er sich in ein Kaffeehaus und durchblätterte die letzt erschienenen Zeitschriften,
oder er blickte hinaus auf die Straße, wo ein reges Leben herrschte und manch interessantes
Antlitz Beachtung heischte. So verging ihm anregend der sonst langweilige, öde Tag.“
Im März 1903, als Otto in Orschowa ist, fotografiert er den Empfang des Reschitzaer
Männerchors für die ungarische Zeitung „Tolnai Világlapja“, das Bild strahlt Freude am

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Gesang und Beisammensein aus. Er versteht sich als kultureller Vermittler und Reisender, der
ein Fest genießt. In einem Resonanzraum kreuzen sich Ideenspuren, aus Symbolen werden
Offenbarungen. Die Poesie der Evolution verpflichtet zu einer natürlichen Lebensweise, das
Tier ist nicht nur Ornament.
Diefenbachs Tiere und Kinder führen „eine ‚arme, irregeführte Menschheit’ zu einem hehren
Ziel. Klimt wiederum typisierte den folgenden Teil seines Frieses als Gegenentwurf zu den
‚feindlichen Gewalten, Krankheit, Wahnsinn, Tod'. So waren beide Friese auch mit dem
zunehmenden Diskurs um den Darwinismus in Wien in Verbindung zu bringen.“ (vgl.
Katalog: Künstler und Propheten, Schirn Kunsthalle, Frankfurt)
Alscher verknüpft diese symbolistischen Friese mit Ralph Waldo Emersons
„Waldeinsamkeit“, ein Gedicht, das simultan auf Deutsch und auf Englisch die Schönheiten
der Wildnis im Takt mit der eigenen Innerlichkeit durchstreift. For a proud idleness like this /
Crowns all thy mean affairs.
Diese Stimmung beobachtet Else: Und da geschah ihm etwas Eigentümliches. Er konnte mitten
durch die Menge gehen, umtost von tausend Stimmen, umflutet von den Wogen, die hier das
Leben hochwellig schlug; er verlor doch nicht das Bild der Heimat, vergaß darüber nicht sein
Verlangen nach ihr. Im Gegenteil, lebendiger und klarer stieg sie dann vor ihm auf mit ihren
welligen Hügeln, dem ragenden Fichtenwald – und während er scheinbar gedankenlos durch die
Menge schritt, gedachte er seiner Jugend, die dürftig, aber doch einzig schön war, weil ihre Tage
unter freundlicher Sonne, in seiner lieblichen Landschaft dahinflossen.
In seiner Einsamkeit bringt er sich in einen Dialog zwischen Kunst und Alltag ein und urteilt
als Kulturjournalist über „die darstellenden Empfindungen eines Mitlebenden“, 1904 wohl
nach dem Studium von Immanuel Kants „Kritik Der Ästhetischen Urteilskraft“: „Wenn
Empfindung, als das Reale der Wahrnehmung, auf Erkenntnis bezogen wird, so heißt sie
Sinnenempfindung.“
Alscher stelllt seine Empfindungen beim Anblick von Hans von Marėes Bilder in den Kontext
einer kulturellen Evolution. Das war in einer Zeit, in welcher er lebte, da man noch leicht an
einer Kunstauffassung zu Grunde gehen konnte, die der der Zünftigen widersprach. Besonders
wenn man ein feinfühliger, weltabgeschlossener Künstler war und die großen, heute
unverzeihlichen Fehler hatte, nicht imponieren zu können. Man war damals eben noch nicht
so weit, jede neue Kunst nicht als eine persönliche Äußerung, sondern als die der kulturellen
Evolution zu betrachten … Übrigens ist man heute auch noch nicht so weit. (Die um Hans von
Marėes. In: Das literarische Deutsch-Oesterreich. Unabhängige  Monatsschrift für Literatur,
Theater, Kunst und Politik.  Malerei, S. 30-3- 32-3, Wien-Leipzig: 4. Jahr.)

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Als Anhänger des Monismus und Transzendentalismus formulierte Alscher sein poetisches
Ziel: Seele zu gestalten. in dem Beitrag „Die Unmöglichkeit der Landschaftsmalerei" schreibt
er 1904 im „Literarischen Deutsch-Österreich".
Einige gibt es wohl, die sich bemühten, in ihren Landschaften Offenbarungen der Natur zu
geben. Doch über die Offenbarung ihres Sehens kamen sie nicht hinaus. Auch Segantini nicht,
wenn er auch einer war, der mehr sah als alle anderen und sein Sehen gestalten konnte. Noch
besser zu gestalten, ohne dabei streng sehen zu müssen, verstand Böcklin, und darin gehen die
beiden auseinander, dass der eine sein Empfinden in die Natur brachte, der andere Natur in sein
Empfinden.
Der Impressionismus beschäftigt sich nicht mehr mit dem ‚großen Ganzen’, er bildet keine Idee
oder Weltbilder ab, sondern verlegt sich rein auf das Partikuläre des Augenblicks und einer
Stimmung. Damit verkörpert er das vielleicht wichtigste Stilmerkmal der Dekadenz, wie von
Bourget und Nietzsche beschrieben, – das Leben wohnt nicht mehr im Ganzen’. erklärt Dr.
Markus Fellinger, Kurator der Ausstellung „Dekadenz. Positionen des österreichischen
Symbolismus“ . (Fellinger, Markus: Dekadenz: Zersetzung und Auflösung als formale
Konzepte in der Kunst des Symbolismus. In: Husslein-Arco und Weininger, Alfred (Hrsg.):
Dekadenz. Positionen des österreichischen Symbolismus. Belvedere, Wien, 2013)
Er schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass Alscher während seines Aufenthalts im Wien um 1900
Böcklins „Meeresidylle“ öfter betrachtete, als plausibel ein: „Böcklin, der als romantischer
Maler begann, verlor Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung, ab 1880 wurde er wieder von
den Symbolisten aufgegriffen und galt bis 1905 als Leitfigur. Dieses Bild Böcklins ist 1901 ins
Kunsthistorische Museum / KHM gekommen, als es aus der Ausstellung der Secession für die
kaiserliche Gemäldesammlung angekauft wurde. 1903 wurde es dann in die neu gegründete
Moderne Galerie übernommen“.
– Hat Böcklin einen Seehund in freier Wildbahn gesehen?
– Dr. Fellinger antwortet: „Ob Böcklin einen Seehund gesehen haben könnte, kann ich leider
nicht sagen. Seehunde waren aber in den deutschen Zoos des 19. Jahrhunderts bereits
verbreitet und auch im Schönbrunner Tiergarten waren sie schon vor 1900 zu sehen. Im
Grunde genommen scheint auch Böcklins Bildkomposition mit dem einsamen Felsen eher auf
eine Situation in einem Zoo zurückzugehen, als auf eine Beobachtung in freier Natur –
sozusagen eine Phantasie wilden Naturlebens bei der Betrachtung einer künstlichen
Inszenierung in geschlossenem Umfeld.“
Wie auch Böcklin hat er die Seelöwen im Schönbrunner Zoo gehört, wo sie die Besucher
quietschend begrüßen und „Blicke des Verstehens“ (Alscher, Otto: Die Wölfe der Jugendzeit)

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mit jenen, die vor ihnen stehen, austauschen, ansonsten sind die Tiere im Zoo auffällig still. Er
perzipiert „Die Meeresidylle“ Böcklins von innen mit Hilfe affektiver Erlebnisse, ein Phänomen,
das Henri Bergson in „Materie und Gedächtnis“ beschreibt, und erlebt einen weiten Horizont,
im Einklang mit Thoreaus „Walden“: There are none happy in the world but beings who enjoy
freely a vast horizon..
Alscher verknüpft Böcklin mit dem amerikanischen Transzendentalismus in einem
darwinistisch geprägten Kunstgenre. Der Standpunkt des Triton-Seehund-Gespanns in den
Strömungen der „Meeresidylle“ stehen in einer Freud'schen„Zeichenbeziehung“ zum
Betrachter, die Alscher in „Die Unmöglichkeit der Landschaftsmalerei" so erklärt: Darum
gingen die Modernen den Weg, die Lebensfähigkeit der Kunst selbst zu steigern, um darin die
Natur zu zwingen und zum Atmen zu bringen.
Der Kunst und der Wildnis verpflichtet sind Alscher und der Südtiroler Schriftsteller und
Publizist, Carl Dallago, der als Mitarbeiter der Zeitschrift „Scherer“ Alschers Frühwerk
publizieren wird. Über diese Zeitschrift gibt Anton Unterkircher, Lektor des Brenner-Archivs,
Auskunft: Die erste Nummer des ‚Scherer‘ war 1899 in Innsbruck erschienen und war das
Publikationsorgan von ‚Jung-Tirol‘. Jung-Tirol‘ war eine Vereinigung von Literaten und
bildenden Künstlern, die die bestehenden Verhältnisse radikal erneuern wollten. Wesentliche
Schlagworte der Bewegung waren Los-von-Rom, Antiklerikalismus und
Deutschnationalismus. Romantische Desorientierung im Traum, der Dämon der Dunkelheit
packt ihn für eine Nacht und flößt ihm Standfestigkeit ein. ‚Scherer‘ wurde in Tirol jemand
genannt, dessen Beruf es war, Ratten, Mäuse und Maulwürfe zu vertilgen. Sinngemäß sollten
auch in der Zeitschrift alle Schädlinge vernichtet werden. Im Untertitel nannte sich die
Zeitschrift zunächst ‚Erstes Illustriertes Witzblatt für Politik, Kunst und Leben‘, ab Jahrgang 4,
je nach Laune, ‚Alldeutsches Wochenblatt oder ‚Wochenblatt für Alldeutschland‘ und erschien
in der Regel halbmonatlich. Durch die Beschlagnahme fast jeder ‚Scherer‘-Nummer, manche
sogar zweimal geriet das Blatt schon bald in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Herbst
1903 übernahm der Verein ‚Deutsche Presse für Österreich‘ das Blatt (…). Mit der neuen
Führung wurde aber auch der Tonfall der Zeitschrift merklich entschärft, die
Beschlagnahmungen ließen merklich nach. / Otto Alscher wurde zu einem Zeitpunkt
Mitarbeiter des ‚Scherer‘, als dieser bereits im Abstieg begriffen war.“
Mit Dallago betrachten sie die Einsamkeit der Natur und deuten die Ideen der Bilder mit Hilfe
von Literatur und Philosophie, im Ernst der Wanderung, von Genien beflügelt, im
Einverständnis mit den "Welträthseln", deren „monistische Philosophie von Anfang bis zu
Ende ehrlich ist“. Alscher überlässt Leopoldine die Regie seines Lebens, während er die

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Kamera-Einstellung übernimmt. Thoreau würde das gar nicht gut finden. I sometimes wonder
that we can be so frivolous, I may almost say, as to attend to the gross but somewhat foreign
form of servitude called Negro Slavery, there are so many keen and subtle masters that enslave
both North and South.
Das Schweben in der Boheme kollidiert mit Existenzsorgen, die sie registriert. Ein monotones
Sein bestimmt ein trübes Bewusstsein, worüber Schopenhauer tröstet: „Denn man hat in der
Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.“
Er wohnt in einem „nicht gerade behagliches Zimmer“, notiert Else. Es ist die Geiselbergstr.
53, im 11. Bezirk, wo sich Leben und Tod in einem würdelosen Einerlei abwechseln.
„Also, Sie kommen jede Woche mindestens dreimal, ja?“, bestimmt Else, wahrscheinlich in
einem Ton wie ein „[A]bkanzeln mit dem hochmütigen ‚Das verstehst du noch nicht’“, den
auch Stefan Zweig registrierte.
Sie scheinen beide über ihre finanziellen Sorgen zu schweigen, doch sie gibt in ihrem Pfennig-
Roman mit einer Erbtante und „etwas Vermögen“ an. Da wollte er zurücktanzen, entschuldigt
sich schriftlich und versucht sich mit Zweideutigkeiten zu verabschieden, doch sie packt ihn
bei seinem Ehrgefühl: „… und nochmals bat er sie um Verzeihung, dass er die Stimme seines
Blutes nicht zurückgewiesen; gleichzeitig aber versicherte er seiner unwandelbaren Liebe und
Treue. / Als Fräulein Werner Stefans Zeilen las, lächelte sie. Dann las sie sie wieder und flüsterte:
‚Kindskopf! Später schrieb sie an Brunegger ein Billet. ‚Kommen Sie, ich habe Ihnen viel zu sagen;
Sie sehen zu schwarz.“
Seine zukünftige Frau, nennt Alscher in dem Essay „Unser Fest“, 1904 Ilse, wegen: „Ilse, Bilse
keiner will se“. Noch verläuft das Rendezvous friedlich und gesittet. Sie sprechen von „den
Denkern und Sehern und dem einen Großen, von Nietzsche“.
Demnächst werden sie sich jedoch ihre Meinung sagen bzw. publizieren. Sie triumphiert über
die eroberte Seele, er meint rechtzeitig den Rückzug angetreten zu haben, eine Meinung, die
er als fiktive Realität in seinem Selbstporträt „Gogan und das Tier“ durchspielt. So kam ein
Abend, ein zweiter und ein dritter. Sie waren alle seltsam dunkel und kühl, so dass man nicht
wusste, sei schon ein Sommer gegangen oder komme erst einer. Und wie diese Abende, so war
auch seine Liebe seltsam dunkel und durchschauernd und ließ ihn zweifeln, ob sie im Werden
oder Vergehen sei. Weil sie aber diese Zweifel nicht löste, so wollte er sie dazu zwingen, indem er
sie in seine Arme nahm, um sie seiner Kraft als Mann erliegen zu lassen. Doch sie widerstrebte
ihm. Anfangs ängstlich, verwirrt und bittend, dann bestimmt und überlegen. Da schaute er sie
zürnend, dann fragend an und löste langsam seine Arme von ihr. Und löste auch seine Schritte
von den ihren.

13

Liest man seine erste Publikation im Osterheft des „Scherer“, so teilt sie sein Interesse an
Nietzsche. Leopoldine Elisabeth tritt als „Ilse“ literarisch verschleiert in „Unser Fest“ (Scherer,
Osterheft, Nr.7) auf. Die autobiographische Schilderung, klingt stolz, abstrakt und arm an
Sinnesfreuden. Nach einem Osterspaziergang stellen sich beide ihr Osterfest am Karsamstag
in einer „Wirtsstube des Dorfes“ vor. „Ilse und ich“ (…) träumten von all den
Schmerzgeborenen, den Denkern und Sehern und dem einen Großen, von Nietzsche, von dem
es heißt, dass er beten lernte, weil er hassen konnte. Wir träumten und gaben uns still im
Händedruck die Gedanken, die wir einander weihten, die wir für uns liebten und für einander
litten.“ Ein Künstler-Freund gesellt sich zu ihnen. Nietzsches „Erd-Treue“ wird besprochen,
Ja, die Menschheit irrt, weil sie glaubt, die Erde gebar das Lebende, bloß um es auszustoßen, weil
sie glaubt, das Lebende müsse die Erde verlassen, wenn es stirbt. Dies ist der große Wahn der
Religion, die ihren Gott in den Lüften sucht, deren Gottesverehrung nur Gottesfurcht ist, denn nur
seine Erde kann der Mensch lieben… Sie identifizieren sich mit dem lebendigen Werden der
Natur – „Und so gingen wir, um unsere Erde zu suchen“ – möglicherweise im Zusammenhang
mit dem Entwurf eines „Tempels der Erde“, dessen Vorhalle in der XX. Ausstellung der Wiener
Secession, vom März bis Mai 1904 zu sehen war“. (Künstler und Propheten: Baader, Franz
Metzner und Fidus).
Unter dem Einfluss Nietzsches, des „einen Großen“ gelobt das Paar ein ästhetisches Verhalten.
Möglicherweise hörte Alscher Dallogo folgendes sagen: „Ich beschwöre euch, meine Brüder,
bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen
reden", das in: Das Labyrinth der Wunder. In: Der Brenner, Innsbruck: 1.01.1911 erscheinen
wird.
In der Schilderung Ein altes Land", im Scherer 1904, tragen Synästhesien zur Anschaulichkeit
bei. „Über den Strom schleift zäh der Nebel“ […] Über die Erde flort bleicher Schein, aber
Finsternis wälzt sich nach. Da gellt ein Gähnen. Die Nacht zittert und bäumt sich auf . . . Und
schreit es müd zurück.“
Ein weiter Horizont fehlt in Alschers Wohnung. „Ja, das Nebulose fehlt. Denn man will sich
heute bei einem Bild etwas denken können", schreibt Alscher als Rezensent des Hagenbundes.
In: Das literarische Deutsch-Österreich.
„Das Römische Grabtuch", das im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek zu
sehen ist, lässt das Nebulose in Anubis' Urteil vermuten. Über die Gelegenheit, die Alscher
hatte, es zu sehen, gibt Mag. Walther Merk aus dem Archiv des Museums für angewandte
Kunst Auskunft:

14

Vermutlich war das „Römische Grabtuch“ Teil der Sammlung spätantiker (oder auch
„ägyptischer“, „koptischer“) Textilien, die in den 1880er Jahren von Theodor Graf angekauft
wurden. Der Kustos-Adjunkt Alois Riegl, Leiter der Textilsammlung beschäftigte sich in den
1880er und 1890er Jahren intensiv u. a. mit diesem Teil der Textilsammlung. Er wurde neben
seiner Tätigkeit am Museum zum a. o. Professor der Kunstgeschichte ernannt und verließ 1897
nach Konflikten mit der Direktion und Kanzlei endgültig das Museum um seine ordentliche
Professur an der Universität anzutreten.
Zu der Sammlung spätantiker Textilien aus Ägypten sind die Digitalisate zweier Publikationen
von 1883 sowie 1889 verfügbar:
Katalog der Theodor Graf'schen Funde in Aegypten – MAK Hauspublikationen
Die ägyptischen Textilfunde im K. K. Österreich. Museum – MAK Hauspublikationen
Nach Alois Riegl übernahm 1897 Karl Masner bis 1899 die Leitung der Textilsammlung. Ein
weiterer Leiter der Textilsammlung, Moriz Dreger (von 1901-1917), verfasste 1902 einen Artikel
über Riegls Publikation „Die spätrömische Kunstindustrie“.
Monatszeitschrift V (1902 / Heft 2) – MAK Hauspublikationen
Als Illustration ist so auch eine „Gewirkte Wollborde von einem Leinengewand des V. oder VI.
Jahrhunderts […] Ägyptischer Grabfund“ enthalten.  Monatszeitschrift V (1902 / Heft 2) – MAK
Hauspublikationen
Wenig Pietät beobachtet Alscher auf dem Weg zum Zentralfriedhof. Schon jetzt ist dieser Tote
ein Vergessener, trotz des „Kondukts als letzte Inszenierung. Dem Kondukt kam als
öffentlichem Teil einer Bestattung besondere Bedeutung zu. Der Weg vom Sterbehaus bis zur
Pfarrkirche bzw. zum Friedhof bot die Möglichkeit, den Status des Verstorbenen und der
Familie für alle sichtbar in den Straßen der Stadt darzustellen.“ (Aushang: Museum im
Zentralfriedhof, Wien, 2023).
Die Simmeringer Hauptstraße „ist sehr belebt, denn es ist Sonntag, der erste sonnenhelle Tag
des Jahres. Menschen ziehen hinaus, an den Straßenseiten einander drängend. Sie ziehen hinaus
wie mit der Freudigkeit genesener Kranker. Die Elektrische saust vorbei, sie ist dicht voll. Frauen,
Blumensträuße haltend, fahren zum Zentralfriedhof. Da kommt ein Leichenzug daher. Voran der
Totenwagen, überladen mit Kränzen, polternd, schwankend, dann der Geistliche, missmutig,
grämlich über den langen Weg. Es ist, als kratze der Groll in seiner Kehle, wie er die Litanei
herunterhaspelt. Die Menge der Menschen hinterdrein, mit Gesichtern in gespannter Traurigkeit.
Mit einer unausgesprochenen, idiotischen Erwartung dem Wagen nachstarrend.
Um die Ecke zu Alschers Mietwohnung bewahrt der Friedhof St. Marx das Gedächtnis des
Biedermeier. „Auf Wiedersehen im Reich der Seligkeit“. „Sie endet ihr frommes / und

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nützliches Leben.“ Else führt aus biedermeierlicher Sicht kein nützliches Leben, sie stellt aber
eines in Aussicht.
Zwei hungrige und frierende Wiener Vagabunden stellen im Essay „Christus und die Bettler“
fest, dass Gott nicht unbedingt tot sei, aber „Die a Geld ham, ham ihm’s Maul verboten. Der
darf jetzt nix mehr reden“, heißt es im „Scherer“- Beitrag Nr. 24 In der nächsten Publikation ,
„In der Tiefe“, geht es um einen lebensfrohen, hilfsbereiten Grubenarbeiter, der erlebt wie
sein bigotter Kollege und Schwager während eines Unglücks den Verstand verliert. Die
Geschichte bekräftigt „Unsere monistische Ethik legt beiden gleichen Werth bei und findet die
vollkommene Tugend in dem richtigen Gleichgewicht von Nächstenliebe und Eigenliebe.“ Ein
Fall „höllischer Strenggläubigkeit“ und „religiösen Wahnsinns“, diagnostiziert der Grubenarzt
nach der Rettung. Zivilisationsüberdruss in „Nur Menschen“ (Scherer, Nr. 21). „Ein
sonderbares gelähmtes Leben in den Straßen“. Die ersten Sonnenstrahlen im Frühling
verändern nichts an der Brutalität der Kutscher, die ihr Pferd schlagen, Eheleuten, die in
„Knechtschaft“ leben.
Er wünscht sich eine Braut in Weiß, doch Else entscheidet sich für Grau: Brunegger machte ein
enttäuschtes Gesicht. Dann aber flog sein Gesicht wie in plötzlichem Erinnern über die volle
Gestalt seiner Braut, blieb auf ihrem etwas ermüdetem Antlitz haften, das nach den Arbeitsstunden
des Tages stärker wie sonst die feinen Spuren beginnenden Welkens zeigte … und für einen Moment
fühlte er etwas wie Betroffenheit in seiner Seele.
Sie lädt ihn zum Musizieren ein, er stellt sich linkisch an. Sie spielt Klavier und lädt ihn zu
einem nächsten Hauskonzert ein. In einem fremden Zimmer spielt er auf der Geige, sie sang
„Schuberts ‚Forelle‘ und Mendelssohns ‚Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht.“ In diese steife
Haus-Kunst hageln ihre Träume. Sie lässt die vermeintlich harmlose Maske fallen. Nach einem
salonfähigen Hysterieanfall, mit vorangehender hat sich Alscher mit seinem Geigenspiel
blamiert, ihre Stimmungsschwankungen manipulieren ihn zu seinen Entscheidungen, die, und
sei es durch einen Heiratsantrag, ihren Wutausbruch lindern und sein Image
wiedergutmachen.
Diesen Schritt hätte er sich ersparen können, sagt doch Schopenhauer: Der vollkommene
Weltmann wäre der, welcher nie in Unschlüssigkeit stockte und nie in Uebereilung geriethe.
Jede innere Warnung schlug Otto in den Wind, aber auch die literarische, wie z. B.: „Dämon
Weib. Ein Drama von Peter Rosegger“ im „Literarischen Deutsch-Österreich." Die Heirat war
ein Klischee, mit dem beide ihre gesellschaftliche Stellung aufwerten wollten. Ihre
Lieblosigkeit, die er sich Otto mit Else eingehandelt, beschreibt er in „Unerlöst“: Sie rang
lange um sich zu ergänzen. Da sie als Jungfrau an das Schwer-Weibliche heranreifte, empfand

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sie ein tiefes Ungenügen. Und sie, die ein so großes Naturbedürfnis in sich trug, sah sich doch
nutzlos unter den Menschen der Kultur. […] Und noch oft, oft kämpfte sie gegen den dunklen
Lebensdrang des Weibes in sich an und kämpfte voll Bitterkeit. . […] Aber sie konnte nur
sündigen, nur sündigen… (Der Scherer, Nr. 9)
Am 26. Juni 1904 schlug vor dem Traualtar der Schwechater Stadtpfarrkirche die Falle zu. Sie
war siebenundzwanzig und er vierundzwanzig zum Zeitpunkt der Hochzeit und Alscher muss
zusehen, wie er die Urkunde seiner Selbstverleugnung selbst unterschreibt. Der Beruf des
Bräutigams lautet „Schriftsteller“, der Beruf der Braut „Sattlermeisterstochter“. Ihr Beistand
ist Josef Heller, Sparkasse Director, die Mutter, geb. Leopoldine Heller. Sein Trauzeuge ist Josef
Schicht, seit 1903 verheiratet, Privatbeamter der Elbemühl-Papierfabrik und Schriftsteller.
Zuletzt wohnte er in Wien 13, Feldmühlgassse. die zur Pfarre Ober St. Veit gehörte."
In der Schilderung „Ausklang“, in: Das Literarische Deutsch-Österreich, Wien, 20. März 1913
übersetzt Trauzeuge Josef Schicht die rätselhafte Schrift eines elisabethanischen Autors, der
in der Natur schwelgt. Mit diesem rätselhaften Autor, den der Erzähler in einem Londoner
Antiquariat in der Newgatestreet findet. „Während ich in meinen Gedanken bei Euch bin, und
einen Augenblick im Schreiben innehalte, um die Hand die seit langem keinen Kiel mehr
lenkte, ein wenig ruhen zu lassen, steigt ein Falkenpaar durch das reine Blau des Himmels in
schrägem, stoßsicherem Flug von der Erde auf, rudert mit mächtigem Flügelschlag über die
Kirchturmspitze hinweg und verliert sich im Äther.“ Vielleicht erinnert sich Schicht an
Gespräche, in denen er Neuerscheinungen der englischen Naturdichtung Alscher vorstellte
und lässt seine Erzählung so ausklingen. „Die Träume sind unser letztes Selbst;“, „ Nein, mein
Teurer, der Weg zum Frieden ist der Weg zur Natur.“
Die Linden vor der Kirche blühen wie im Gratzkatal, wo er ein Haus für seine Familie erbauen
wird. Bevor er in die Gratzka aufbricht, erlebt er Hodlers „legendäre Ausstellung in der Secession,
1904.
Ottos Text „Im Käfig“ (Scherer, Nr.34) kommt zur Schlussfolgerung, dass die Erneuerungskräfte
des Lebens in der Ehe versiegen. Zwei, die sich vielleicht in der Freiheit gut vertragen könnten,
werden in dieser gesellschaftlichen Institution feindselig. Die Konventionen der Gesellschaft sind
für die falsche Frau verantwortlich. Nietzsches Wort: Aber das, was die Vielzuvielen Ehe nennen,
diese Überflüssigen, – ach, wie nenn‘ ich das? Diese Armut der Seele zu Zweien! Dieser Schmutz
der Seele zu Zweien! Ach, dieses erbärmliche Behagen zu Zweien! Ehe nennen sie dies alles; und
sie sagen, ihre Ehen seien im Himmel geschlossen. Nun, ich mag ihn nicht, diesen Himmel der
Überflüssigen! Nein, ich mag sie nicht, diese, im himmlischen Netz verschlungenen Tiere! Ferne

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bleibe mir auch der Gott, der heranhinkt, zu segnen, was er nicht zusammenfügte! Also sprach
Zarathustra … “
Bereits 1904, im Scherer-Septemberheft (Nr.17) gibt sie „Orsova“ als Wohnort an.
Mit ihm ist sie auf den letzten Zug aufgesprungen, ihre Hommage an den technischen
Fortschritt. ist ein fiktives „amtliches Schreiben“: „darin wurde mitgeteilt, dass am verflossenen
Abend ein Herr vom Schnellzug der Staatsbahn bei Lanzendorf überfahren worden sei. Bei dem
Toten fand man ein Notizbuch und eine Visitenkarte mit dem Namen ‚Stefan Brunnegger’. Seine
Anverwandten mögen sofort kommen, um wegen Beerdigung oder Überführung der Leiche
Verfügungen zu treffen. ‚Unweit des Toten’, hieß es weiter, wurde ein Zwicker gefunden.
Vermutlich hat ihn der Tote verloren und dadurch den Eilzug nicht bemerkt, der ihn völlig
zermalmt hat.“ Die Hausverwalterin trauert: „Der arme, gute Herr! So hat er sterben müssen, so
…!’“ Otto Alscher war tatsächlich kurzsichtig.
Dieser fromme Wunsch schien sich 1915 zu erfüllen, als er an der Front war. Eine penny-
Lektüre ist in der Tat ein bedauerlicher Unfall, über den sich schon Thoreau in Walden
unterhalten hat. Ja, da stürzen dann die Menschen massenhaft zum Bahnhof, der Zugführer ruft:
‚Einsteigen bitte!‘, und wenn sich dann der Rauch verzogen und der Dampf niedergeschlagen hat,
zeigt es sich, dass nur wenige mitfahren, die meisten aber überfahren wurden – einen
bedauerlichen Unfall wird man es nennen, und das ist es auch.
Der Tod des einen löst die Probleme des anderen, sie genießt ihren Aufenthalt im Bad und gefällt
sich im Witwenhabitus.
Alscher hat den Weg zu seiner Symbolgemeinschaft gefunden und tauscht Botschaften mit
entlegenen Zeiträumen aus: Thus our life is not altogether a forgetting, but also, alas! To a
great extent, a remembering of that which we should never have been conscious of, certainly not
in our waking hours, versichert Thoreaus in Life without Principle.
Alscher hingegen wird die Themen seiner Wanderwege erneut erkunden, nach den Vorbildern der
Secession, die seinen Lebensweg vorausdeuteten. „Gallen-Kallela beschreibt die Landschaft
als eine gewaltige Wildnis, unberührt von Menschenhand und Idealbild seiner Heimat. 1901
und 1904 folgt der Künstler Einladungen, in der Wiener Secession auszustellen." (Faltblatt
2024: Akseli Gallen-Kallela. Finnland erfinden)
Mit viel zu alten Allegorien kommt Axel Gallén. Der Tod der am Haus mitzimmert, das sich zwei
Menschen hoffend erbauen, nackte Gestalten, die am Styx harren. Bloß der Jüngling, der im
Fjord nach dem Vogel schießt, sagt mehr über das Leben, wenn auch nichts Neues. In
Einzelheiten aber vermag er gut zu sein, wie in der ‚Wintersonne‘ und ‚Landschaft‘.

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In Einzelheiten erkennt Alscher eine transzendentale Naturauffassung , die mit dem Gemälde:
Palokärki / „Der große Schwarzspecht“, auf die Rückkehr in die Wildnis pocht, nach dem
„transzendentalen Grundsatz, sich eine Zweckmäßigkeit der Natur in subjektiver Beziehung
auf unser Erkenntnisvermögen vorzustellen“ (Kritik der Urteilskraft)
In der Einsamkeit der Berge hat Alscher eine „Hütte à la Walden“ in der Nähe seiner
Heimatstadt aufgestellt. 1904 erfolgte Alschers Spatenstich zu seinem Leben als Kunstwerk,
eine Ein-Zimmer-Ausführung am Ufer des in die Donau mündenden Gratzka-Baches und ein
2-Zimmer-Bau mit Veranda, etwas höher am Berg gelegen. Im Zeit-Gefühl des Hier und Jetzt
steckt er sich ein künstlerisches Ziel, getreu dem Grundsatz des Fürsten aus Johann Wolfgang
Goethes „Novelle“: jetzt stockt noch manches; die Kunst muss erst vollenden, wenn sie sich vor
der Natur nicht schämen soll.
„Das Lied der Rom“ ist das Motto des Romans „Ich bin ein Flüchtling“, Egon& Fleischel, 1909,
das in einer Rezension der Neuen Freien Presse hervorgehoben wird. Erhaben über die
Unehrlichkeit der Zivilisation setzen Vaganten und Rom ihren Weg traurig, aber unbeirrt fort.
Als erstes Buch erschien ‚Ich bin ein Flüchtling‘, ein Roman aus dem Wanderzigeunerleben, dann
1910 die Novellen ‚Mühselige und Beladenen‘, gleichfalls im Verlag Egon Fleischel & Co. Berlin,
steht in Alschers Brief an Franz Brümmer.
Den Kontakt zu Ludwig von Ficker, den Herausgeber der Zeitschrift „Brenner“ vermittelt wie einst
zum „Scherer“ Karl Dallago. Am 9. August 1910 schreibt Dallago dem Herausgeber der neuen
Zeitschrift: „Wenn ich nun durch Alscher ab und zu Gutgezahltes anbringe, kann ich umso mehr
noch Deinem ‚Brenner‘ meine Kräfte zukommen lassen. Auch wird Alscher den ‚Brenner‘
bestimmt fördern.“ Alscher enttäuscht diese Hoffnungen nicht. Am 12. Oktober 1910 schätzt er das
in Innsbruck entstehenden Forum des Expressionismus so ein:„Den ‚Brenner‘ werde ich umso
lieber besprechen, als der Ernst und die Tiefe des Blattes von Heft zu Heft immer mehr in(s) Auge
springen. Am 15. gehe ich nach Budapest zurück und da ich auch dann die Literaturbeilage des
Lloyd übernehme wird es mein erstes sein Ihre Zeitschrift hervorzuheben. Da Sie mir das
Vergnügen gemacht haben zu den Mitarbeitern zählen zu dürfen, will ich natürlich auch das
Meinige der Verbreitung beisteuern. / Es ist mir nur leid, dass ich nicht die Zeit habe etwa direkt für
den Brenner zu schreiben. Aber ich war bisher sehr überarbeitet, hoffe aber, daß ich mehr Zeit habe,
wenn ich beim Pester Lloyd sitze, denn die Redakteure sind dort nicht weniger als überarbeitet. /
Selbstverständlich verlange ich für keinen meiner Beiträge Honorar. Denn es ist etwas ganz
anderes, wenn ich für eine Tageszeitung schreibe, die mir im Großen und Ganzen gleichgültig ist,
oder für eine Zeitschrift, die ich ehre und achte. / Bitte grüßen Sie Freund Dallago, dem ich schon
lange zu schreiben vorhabe, aber immer wieder aufschieben musste.“

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Am 20.November 1910 steht im „Pester Lloyd“: „Der Brenner‘. Halbmonatsschrift, herausgegeben
von Ludwig v. Ficker, Brenner-Verlag, Innsbruck. „Ein junges Blatt, das aber mit einer scharf
umrissenen, prägnanten Selbständigkeit in das Geistesleben der Gegenwart tritt. Es steht wie ein
geschlossener Block auf und laßt erkennen, dass es eine Phalanx bilden will wider alle unlautere
Beeinflussung in Kunst und Kultur. Und so groß dieses Vorhaben ist, die Zeitschrift zeigt in
wenigen Heften schon, daß sie ihm gewachsen ist, denn sie wird von Männern geschrieben, die
sämtlich durch ein eigenartiges Können in der deutschen, besonders aber in der Tiroler Literatur
dastehen. Da ist vor allem der Herausgeber Ludwig v. Ficker, dann Arthur v. Wallpach, der
prachtvolle Karl Dallago, Hugo Neugebauer, Ludwig Seifert und einige andere. Ganz vorzüglich
sind auch die Karikaturen von Max v. Esterle. Der ‚Brenner‘ ist ganz danach angetan, sich wie ein
Keil in das Literaturwesen der Gegenwart zu schieben.“
In der Kurzgeschichte „Der Überlebende“, 1910 im Brenner, Heft 10 erscheint zum ersten Mal in
Alschers Texten das Tier als zuverlässige, Richtung weisende Instanz der Lebensreform.
„Gelehrtes Hornvieh, hat mich des Darwinismus verdächtigt;“ schreibt Nietzsche in „Die
Geburt der Tragödie", doch Alscher gehört nicht zu dieser Herde.
In einem Dialog zwischen „Zerlumpten“ und „Herrn“ wird deutlich, dass der Überlebende, und es
sei es auch der Mörder, keine Schuld hat. Der Räuber handelt aus Verachtung. „Um Geld etwas tun
ist nie edel“. Das Opfer erfährt eine Läuterung vor dem Tod, es gibt seinem Mörder einen Rat für
den weiteren Lebensweg. „Suche nicht den Menschen, suche das Tier mit deinem Leben./ Suche ein
Zeichen, dass du nicht so bist wie sie.“ Ein Gefühl der Verbrüderung stellt sich ein, doch der
Verletzte ist nicht mehr zu retten.
In einem expressionistischen Wir-Gefühl reflektiert Alscher die erste Österreichischen
Nordpolarexpedition 1872-1874, auch als Payer-Weyprecht-Expedition bekannt
(naturhistorisches museum wien: Arktis Polare Welt im Wandel, bis September 2024)
Das Kartieren und Ordnen der Arktis wäre aus transzendentaler Sicht nicht nötig gewesen, meint
Alscher in seiner ersten Tier-Kurzgeschichte "Die Hunde", erstmals im „Pester Lloyd“, 14. Januar
1911, in der Forscher keinen Sinn für die Intuition der Tiere entwickeln und von ihrem
ursprünglichen Kurs abdriften.
Das Ordnen der Welt: Die wissenschaftlichen Expeditionen des 19. Jahrhunderts sollten die letzten
weißen Flecken der Erde erforschen und vermessen. Auch die Weltumsegelung der österreichischen
Fregatte Novara (1857-1859) hatte das Ziel, die gesamte Welt zu besammeln und zu
dokumentieren. Interessant erschien prinzipiell alles. (Aushang: Naturhistorisches Museum, Wien,
2024)

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Damals gelang es zu Fuß und auf Schlittenkufen jenseits des 82. Breitengrads zu kommen.
(Aushang: Experiment Metropole. 1873: Wien Und Die Weltausstellung, 15.5. Bis 28.9.2014). Die fiktiven
Forscher hatten den 89. Breitengrad überschritten, mussten aber auf einem letzten
Wegabschnitt erkennen, dass sie die Route zur Küste und zu sich selbst verfehlt hatten. Wenn
der Schnee in der Sprache der Dekadenz „todtrunken“ schimmert, deutet der allwissende
Erzähler die Naturzerstörung und Klimaveränderung metaphorisch voraus.
Heute liegt die Arktis gleichsam vor unser aller Haustüren. Das Naturhistorische Museum
möchte zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge in diesem fragilen Lebensraum
beitragen. (Aushang: Naturhistorisches Museum, Wien, 2024)
Der Schlitten, der zum Boot umgebaut wurde. nähert sich mit den Forschern der Küste. Mit
einem schwer belasteten Gewissen trennen sie sich von den einstigen Gefährten. In der
Strömung nahe der Küste verschränkt sich zum letzten Mal der Gefühlsausdruck von Mensch
und Totem, in einem Augenblick des simultanen Schreis, aus moralischem Versagen
einerseits und aus enttäuschtem Vertrauen andererseits. Die Arktis erwärmt sich fast vier Mal
so schnell wie der Rest der Welt. In den letzten 40 Jahren hat der Arktische Ozean rund 40
Prozent an Eisfläche und 80 Prozent an Eisvolumen verloren. Für das Weltklima wird das
unabsehbare Folgen haben. (Aushang: Naturhistorisches Museum, Wien, 2024)
Diese Kurzgeschichte entstand zeitgleich mit Alschers Erfolgsroman „Gogan und das Tier",
der 1912 im S. Fischer Verlag erschien. Und saß er einst nicht mit Peter Altenberg an einem
Tisch, so wird er in dem Almanach des S. Fischer Verlags, „Das 26. Jahr“ mit dem Auszug, „Die
Hühnerjagd" in seiner Nähe platziert, eine Gelegenheit, um über die Wiederkehr eines
Augenblicks auf der Zeitskala in den Texten des Jung-Wieners: „Krankenlager" und „Vöslau",
zu verhandeln.
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs prophezeite „Demian“: Die Seele Europas ist ein Tier, das
unendlich lang gefesselt lag.
Wahrscheinlich las Alscher bereits Anfang des Jahres 1919 den Vorabdruck des Romans
„Demian. Geschichte von Emil Sinclairs Jugend“ in der Zeitschrift des S. Fischer Verlags und
vermutete, dass sich Hermann Hesse hinter dem Pseudonym Emil Sinclair verbarg.
Mit „Die Hunde" beginnt auch „Die Kluft, Rufe von Menschen und Tieren“, München, Albert
Langen, 1917. Dieser Band lag bei Hesse vor, doch Alscher hat jede Spur zu dem
Rezeptionsgeschick der "Kluft" verloren.
Emil Sinclair gibt ihm einen Hinweis: Ich hatte ihm, am Beginn meiner Schülerzeit in St.,
zweimal geschrieben, aber keine Antwort bekommen; darum hatte ich ihn auch in den Ferien
nicht besucht.

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Wo ist der Schlüssel zum Postkästchen?
Er neigte sich über den Tisch und warf seiner Frau einen finsteren Blick zu: ‚So hast Du mich
eigentlich belogen, als du so sprachst?‘ Er sprang auf, erinnert sich Else.
An diesen Umgangsformen scheint sich nichts geändert zu haben.
Hermann Hesse, der laut Hugo Ball – seit 1915 die deutschen Kriegsgefangenen mit entsprechender
Literatur versorgt-, zog Otto Alschers Tiergeschichten der Vorkriegszeit sowie weitere aus der
Kriegszeit für eine Anthologie in Betracht.
Es könnte sein, dass die unbeantworteten Briefe an ihn gerichtet waren, denn Hesse leitete den
belletristischen Teil mit sehr umfangreicher Korrespondenz und endlosen Listen, wie sein
Zeitgenosse Hugo Ball berichtet. Gusto Gräser, der historische Demian, wohnte in Hesses Nähe.
Hermann Hesse, der 1916 zu Gräser zurückkehrte, erlebte dort seine Aufnahme in die
Gemeinschaft der ‚Zukünftigen‘, in den Bund und Orden derer ‚mit dem Zeichen‘, der einstige
Kriegsfreiwillige, wandelt sich zum entschiedenen Pazifisten. Gusto Gräser wird ihm endgültig
zum ‚Freund und Führer’, zum Daimonion, zu Demian. (Müller, Hermann: Propheten und
Dichter auf dem Berg der Wahrheit. Gusto Gräser, Hermann Hesse, Gerhart Hauptmann.)
In der Warnung vor einem mechanischen Lebensablauf und in dem Wunsch in der Natur
anzukommen, sah Hesse eine Botschaft mit Zukunftspotential.
Mit Woltereck zusammen, [Hugo Ball] richtete Hesse nun zunächst exterritorial eine
Abteilung für die Versorgung der deutschen Kriegsgefangenen mit entsprechender Literatur
ein; eine Gründung, die bis zum Kriegsende sich erhielt […] Die Initiative und auch der
Verkehr mit der Legation lagen bei Woltereck; den belletristischen Teil leitete, mit sehr
umfangreicher Korrespondenz und endlosen Listen, Hesse.
Hesse schätzte Alscher als einen der „Sieben neueren Dichter“ ein, als er „Die Hunde“ für den
Band „Strömungen. Liebesgabe für deutsche Kriegsgefangene“, Bern 1918 auswählte.
Das kleine Stück von Knut Hamsun ist ein Ausschnitt, eine Probe aus seinem Roman ‚Die letzte
Freude‘. Alle anderen Erzählungen sind ungekürzt. Die Skizzen von Korolenko und Gorjki sind
aus dem Russischen übersetzt, heißt es im Geleitwort in den „Strömungen“.
Nach den Kriterien des vorangestellten „Geleitwortes“: Dichtung ist immer Liebe, sie kann nie
Hass und Verkleinerung bezwecken. […] Und es gibt, zumal in der neueren Dichtung, manche
Dichter, für welche die Natur, die Landschaft, das Tier- und Pflanzenleben nicht bloß einen
Rahmen zum Menschenleben bedeuten, sondern denen der Mensch – wie er es im Sinne der
neueren Naturwissenschaft ja auch ist – immer nur ein Stück Natur bleibt, nicht ihr Herr, nur ihr
Glied und Teil, strich Hesse einen Satz: der nicht nötig gewesen wäre.

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Wie Emil Sinclair blieb Hesse an einem Wort hängen, erschrak und las. Als Herausgeber ist er
auf einen Satz gestoßen, der nicht in den kontinuierlichen Perspektivwechsel zwischen den
Menschen auf dem Schlitten und den Schlittenhunden passte: Aber die drei Menschen auf dem
Schlitten, den die Hunde gleich kugelnden Wollklumpen zogen …
Der Ariadnefaden aus dem Wollklumpen lässt sich nicht in die Reihe der Bild- und Textmotive
des Gesamttextes einfädeln. Dieser kurze Erzählkommentar beschreibt keinen realistischen
Bewegungsablauf, durch den Vergleich wirken die Hunde farb- und seelenlos. Das Tier ist in
diesem Satz, wie Schopenhauer sagen würde, nicht mit dessen Lokalfarbe tingirt, denn
Wollklumpen sind tonlos und atmen nicht.
Auch wenn Alscher die Würdigung seiner „Kluft“ nie erreichte, eine fiktive Korrespondenz
über magisch-animistische Kräfte belebt seine Gefühls- und Gedächtniswelt. In der
realistischen Gestaltung der Naturbegegnung sowie der menschlich-tierischen
Korrespondenzen erkennt er sein zukünftiges Wirken.
Ja, meine Vaterstadt ist einzig schön, das darf ich wohl ohne Stolz behaupten. Darum besuche ich
sie auch, so oft ich nur kann – mein sehnlichster Wunsch wäre übrigens, herein versetzt zu
werden. Diesem in „Ein Jahr“ explizit mitgeteilten Wunsch der Ehefrau könnte Otto auch in der
Nachkriegszeit zustimmen, aber mit der richtigen Frau.
Seinen künstlerischen Neuanfang schreibt er in seinem poetischen Manifest
„Kämpfer.Roman" Elisabeth Amberg zu, während er seinen Fehltritt vor dem Traualtar der
Schwechater Pfarrkirche seiner Ehefrau, alias Ilse, verzeiht. Sie gibt den Anstoß zur ersten
Tiergeschichte der Nachkriegszeit „Der Mann, das Mädchen und ein Affe“, in der Alscher den
Affen als ein versöhnliches Symbol darstellt, schließlich hofft er, dass Leopoldine Elisabeth in
eine Scheidung einwilligt.
Stellt er seine Ehefrau der Geliebten Elisabeth Amberg gegenüber, so kommt er zur
Schlussfolgerung, dass sich die Seele den Körper baut. Näheres dazu erklärt Egon Friedell in
„Der Praktische Körper", in „das 26. Jahr", dem vertrauten Almanach: Zudem: wir sind für das
Ideal eines schönen Körpers im kanonischen Sinne der Bildhauer auch schon viel zu vergeistigt;
denn ein solcher Körper ist immer ein durch und durch animalischer, ein ungeistiger Körper,
nichts als der Ausdruck prachtvoller tierischer Funktionen, gleich dem Raubtierkörper. Also: den
schönen Körper der Alten konnten wir nicht mehr haben, und den hässlichen Körper von heute
wollten wir nicht mehr haben. In diesem Dilemma erwuchs uns ein neues Ideal: der praktische
Körper.

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Der Affe als Elses Doppelgänger ist ein trauriges und befangenes Geschöpf, das Alscher an
Felix Saltens Feuilleton „In Schönbrunn“, 1905 erinnert, denn auch ihn erfasst, wie Felix
Salten ein ‚atavistisches Grauen‘ angesichts der gefangenen Menschenaffen.
Das gefangene Tier und Else sind einander anverwandt, er beklagt ihr Schicksal, das ihr ein
unmenschliches Umfeld in falscher Innerlichkeit auferlegt hatte, lässt sich aber nicht wie der
zweite Affe in Bruegels „Zwei angeketteten Affen“, 1562 anketten.
Für Alscher gilt es, den Fehltritt am 26. Juni 1904 – es war ein Sonntag – vor dem Traualtar in
der Schwechater Pfarrkirche zu korrigieren. Er erinnert sich an Franz Anton Maulbertschs
Fresken und an den „charakteristisch expressiven Stil, den der Maler um 1750 entwickelte.“
(belvedere Kunstmagazin, Nr. 1-2024). Doch sooft sich die Tonart seiner Ehefrau in seinen
Gedanken meldet, schwindet das „Spektakel der Farben“. Alscher muss sich Goethes
Bemerkung in den „Wahlverwandtschaften", wohl in Bezug zu dem Gemälde „Die Akademie
mit ihren Attributen zu Füßen Minervas“ (Oberes Belvedere, 2024: Franz Anton Maulbertsch,
300 Jahre Exzentrischer Barock. Im Blick), gefallen lassen: Wie man es nur über das Herz
bringen kann, die garstigen Affen so sorgfältig abzubilden. Man erniedrigt sich schon, wenn man
sie nur als Tiere betrachtet; man wird aber wirklich bösartiger, wenn man dem Reize folgt,
bekannte Menschen unter dieser Maske aufzusuchen.
In „Der Mann, das Mädchen und ein Affe“ verwehrte – in des Erzählers Sichtweise – der Mann, der
das eingefangene Tier aus fernen Ländern mitbrachte, diesem einen eigenen Tod und ein eigenes
Leben. Nun muss er das Trauma des Mädchens Ilse und das Unglück ihres Affen verantworten.
Der Erzähler beobachtet das Dahinsiechen des Affen in einem Wintergarten, in der Nähe seiner
deformierten Besitzerin, die sich vor ihrem Instinkt drückt.
Die Geliebte hingegen tritt in Alschers poetischem Manifest nach dem Ersten Weltkrieg, im
surrealen "Kämpfer.Roman", in die Allegorie der „Skulptur". Kühler Marmor kontrastiert mit
blühender Haut […] leeres Starren und beseelte Innenschau stehen einander gegenüber.
(Katalog zur Ausstellung: Klimt und die Antike. Erotische Begegnungen, Sommer 2017)
Im Wiener Stadtpark empfindet der Dichter Schopenhauers Idee nach: So sehr auch auf der
Bühne der Welt die Stücke und die Masken wechseln, so bleiben doch in allen die Schauspieler
dieselben. […] die Vorrichtung, wodurch wir dessen nicht innewerden, ist die Zeit.
Hier hat ihn seine Muse geküsst: Sie gingen durch einen dunklen Park, ahnten der Wiesen, der
Bäume stille Ruhe, sahen marmorne Standbilder, die wie ein in traumhafter Erstarrung
versunkenes Leben bewahrten und fühlten das Pulsen ihrer Körper, wie eines Lebens großes,
abgeschlossenes Sein. (Kämpfer, 34, Januar 1920)